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stand selbst zu beachten ist. Erwägt man, welche großen Schwierigkeiten sich ergeben,
gerade wissenschaftliche Fragen in eine entsprechende Form zu kleiden, und wie namentlich
bei Sammelwerken dem Forscher häufig nur ein bestimmt abgemessener Raum zur Dar¬
stellung seiner Gedanken zur Verfügung steht, so muß man die stilistische Gestaltungs¬
kraft und Meisterschaft des deutschen Gelehrten bewundern, selbst wenn sein Stil nicht
dem klassizistischen Schönheitsideal entspricht.
Wenn wir weiter, was die technische Seite unserer Sammlung betrifft, bei Beginn
unserer Arbeit auf dem jetzt nachdrücklich verfochtenen und theoretisch ja auch ganz
richtigen Standpunkte standen, die einzelnen Lesestücke unverkürzt abzudrucken, so stießen
wir jedoch während unserer Tätigkeit je länger, desto mehr auf derartige Schwierigkeiten,
daß wir uns zu Abstrichen entschließen mußten; denn kein wissenschaftlicher Autor denkt
wohl bei der Niederschrift seiner Werke daran, daß Teile von ihnen ftüher oder später
einmal in ein Lesebuch aufgenommen werden sollen. Dazu kommt, daß der Umfang eines
Schulbuches wie des unsrigen durch mancherlei äußere Gründe beschränkt ist. Ließen
Kürzungen sich also nicht vermeiden, so haben wir sie doch meist nur da für statthaft
gehalten, wo sich spezielle Ausführungen fanden, die wohl den Fachmann, aber nicht den
Laien interessieren. Wenn der geschlossene Inhalt des ganzen Lesestückes keine Störung
dadurch erlitt, sind unsere Abstriche, die wir sonst durch zwei Punkte (..) andeuten,
nicht besonders vermerkt. Zusätze, die nur ganz vereinzelt des Verständnisses oder der
Übergänge halber nötig wurden und jedesmal höchstens zwei Worte umfassen, treten als
solche ohne weiteres durch eckige Klammern ([ ]) deutlich hervor.
Endlich bemerken wir betreffs der Rechtschreibung in den Briefen, daß wir für die
ältere Zeit uns genau nach den von uns benutzten Quellen richten, für das 18. und
19. Jahrhundert dagegen nur dann den Regeln von 1901 folgen, wenn die Eigenart
der Verfasser und Verfasserinnen dadurch keine Einbuße erlitt. Die Briese z. B. von
Goethes Mutter und Blücher verlieren ungemein an Reiz, wenn man die orthographischen
Fehler in ihnen verbessert.
Herzlichen Dank verdienen die Herren Universitätsprofessoren vr.vr. Krauske zu
Königsberg i. Pr., Lange zu Tübingen, von Simson zu Freiburg i. B. und Pfarrer
I). Kirmß zu Berlin für die wertvollen Unterstützungen, welche sie uns in liebenswürdigster,
entgegenkommendster Weise gewährt haben. Während Herr Prof. Krauske uns aus seinem
demnächst erscheinenden Werke „Der Briefwechsel Friedrich Wilhelms I. mit Leopold von
Dessau. Berlin 1902" bereitwilligst Abschriften einer geeigneten Anzahl von Briefen zur
Auswahl überlassen, selbst die Kopien mit dem Originalabdrucke verglichen und für das
Verständnis wichtige Anmerkungen dazu verfaßt hat, ist von Herrn Prof. Lange dem
Lesestück „Über Kunst" eigens für unser Lesebuch die Fassung gegeben worden, die der
betreffende Abschnitt in der 2. Auflage seines Buches „Das Wesen der Kunst" aufweisen
wird. Und wie Herr Prof, von Simson die Rede seines Vaters, die wir bringen,
siir uns ausgewählt hat, so ist uns von Herrn Pfarrer Kirmß in seiner nicht nur der
Form, sondern auch dem Inhalt nach charakteristischen Predigt „Unser Gesangbuch", die
hier zum erstenmal gedruckt erscheint, eine nicht minder schätzenswerte Gabe verehrt.
Potsdam und Berlin, am 15. September 1902.
Johannes Heydtmann. Eduard Clausnitzer.