Full text: [Band 3, [Schülerband]] (Band 3, [Schülerband])

II. Goethes und Schillers Gedankenlyrik. 
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Stände seh' ich gebildet, der Pappeln stolze Geschlechter 
Ziehn in geordnetem Pomp vornehm und prächtig daher. 
Regel wird alles, und alles ivird Wahl und alles Bedeutung - 
Dieses Dienergefolg' meldet den Herrscher mir an. 
Prangend verkündigen ihn von fern die beleuchteten Kuppeln, 
Aus dem selsichten Kern hebt sich die türmende Stadt. 
In die Wildnis hinaus sind des Waldes Faunen verstoßen, 
Aber die Andacht leiht höheres Leben dem Stein. 
Näher gerückt ist der Mensch an den Menschen. Enger ivird um ihn, 
Reger erwacht, es umwälzt rascher sich in ihm die Welt. 
Sieh, da entbrennen in feurigem Kamps die eifernden Kräfte, 
Großes wirket ihr Streit, Größeres rvirket ihr Bund. 
Tausend Hände belebt ein Geist, hoch schlüget in tausend u 
Brüsten, von einem Gefühl glühend, ein einziges Herz, 
Schlägt für das Vaterland und glüht für der Ahnen Gesetze- 
Hier auf dem teuern Grund ruht ihr verehrtes Gebein. 
Nieder steigen vom Himmel die seligen Götter und nehmen 
In dem geweihten Bezirk festliche Wohnnngen ein; 
Herrliche Gaben bescherend, erscheinen sie: Ceres vor allen 
Bringet des Pfluges Geschenk, Hermes den Anker herbei, 
Bacchus die Traube, Minerva des Ölbaums grünende Reiser, 
Auch das krieg'rische Roß führet Poseidon heran,' 
Mutter Cybele spannt an des Wagens Deichsel die Löwen, 
In das gastliche Tor zieht sie als Bürgerin ein. 
Heilige Steine! Aus euch ergossen sich Pflanzer der Menschheit, 
Fernen Inseln des Meers sandtet ihr Sitten und Kunst, 
Weise sprachen das Recht an diesen geselligen Toren, 
Helden stürzten zum Kampf für die Penaten heraus. 
Auf den Mauern erschienen, den Säugling in» Arme, die Mütter, 
Blickten dem Heerzug nach, bis ihn die Ferne verschlang. 
Betend stürzten sie dann vor der Götter Altären sich nieder, 
Flehten um Ruhm und Sieg, flehten um Rückkehr für euch. 
Ehre ward euch und Sieg, doch der Ruhm nur kehrte zurücke- 
Eurer Taten Verdienst meldet der rührende Stein: 
„Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest 
Uns hier liegen gesehn, ivie das Gesetz es befahl." 
Ruhet sanft, ihr Geliebten! Von eurem Blute begossen, 
Grünet der Ölbaum, es keimt lustig die köstliche Saat. 
Munter entbrennt, des Eigentums froh, das freie Gewerbe, 
Aus dem Schilfe des Stroms winket der bläulichte Gott. 
Zischend fliegt in den Baum die Axt, es erseufzt die Dryade, 
Hoch von des Berges Haupt stürzt sich die donnernde Last. 
Aus dem Felsbruch wiegt sich der Stein, vom Hebel beslügelt- 
Jn der Gebirge Schlucht taucht sich der Bergmann hinab. 
Muleibers Amboß tönt von dem Takt geschwungener Hämmer, 
Unter der nervichten Faust spritzen die Funken des Stahls. 
Glänzend umwindet der goldene Lein die tanzende Spindel, 
Durch die Saiten des Garns sauset das webende Schiff. 
Fern aus der Reede ruft der Pilot, es warten die Flotten, 
Die in der Fremdlinge Land tragen den heimischen Fleiß- 
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