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7. 0 dort fliegt ein Vogel; ach das arme Tier hat sich wohl
verirrt und kann sich nun nirgends ausruhen! Es muß wohl er¬
trinken. Komm doch hierher auf unser Schiff, dann wollen wir
dir auch Futter geben! — Ja, das wird der Vogel wohl nicht
tun. Der mag lieber über dem Wasser fliegen als bei dir sein.
Das ist ja eine Möwe! — Sieh, jetzt schießt sie nach unten, als
wenn sie ins Meer stürzte; aber schon flattert sie wieder in die
Höhe. Wahrscheinlich hat sie sich einen Fisch erschnappt, den
sie nun in der Luft auffrißt. Und wenn sie nun nicht mehr fliegen
kann? — Dann setzt sie sich auf das Wasser und schwimmt. Und
wenn sie schlafen will? — Dann läßt sie sich wie ein kleines Schiff
auf dem Wasser treiben und ist gar nicht bange, daß sie unter¬
geht. Dann legt sie den Kopf auf ihre Federn und schläft, und
vielleicht träumt sie von einem dicken, schönen Fisch, der oben auf
dem Wasser schwimmt. Und niemand streut ihr Futter und macht
ihr einen kleinen Stall zurecht und streichelt ihr die Federn und
deckt sie zu. Ganz allein schwimmt die kleine Möwe da auf dem
großen Wasser, und niemand ist bei ihr. Das möchten wir nicht;
nein, es ist gut, daß wir ein großes Schiff haben und daß viele
Leute drauf sind. Dann braucht man sich nicht zu fürchten.
8. Komm, wir wollen hier vorn weggehen. Vielleicht wird
schon Abendbrot gegessen, und es ist Zeit, in die Kajüte hinunter¬
zugehen. — Ja, es ist schon Abend! — Sieh, die Sonne ist schon
ganz feuerrot geworden; nicht lange wird’s dauern, und sie geht
in das Wasser hinunter. Ach, das wird hübsch aussehen! Vielleicht
spiegelt sie sich auch im Wasser, und dann haben wir zwei Sonnen,
eine deutliche und eine wackelige. Und dann kommen die beiden
immer dichter zusammen, und zuletzt laufen sie vor Freude in¬
einander, und dann ist’s wieder eine Sonne. Und die wird
immer kleiner und eckiger; nun noch ein ganz kleines Stück —
da! weg ist es.
9. Nun wird’s bald dunkel: Dort oben schimmert schon ein
Sternlein! Das guckt nun wohl auch zu Hause ins Fenster und
sieht zu, wie die Mutter den Tee einschenkt. Ja, deine Tasse
bleibt heute im Eckschrank stehen, du bist nun auf dem großen
Wasser; und wenn du auch gern wolltest, nach Hause hinlaufen
kannst du doch nicht. Aber du bist ja ein mutiges, lustiges
Kind; du wirst diese Nacht so schön schlafen, als wenn du zu
Hause in deinem Bette lägest.
10. Hör’, jetzt wird mit der Glocke geläutet! Wir sollen
hinunterkommen zum Essen. Da wollen wir’s uns noch recht