Bäßler.
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dem Altare, das Sakrament zu empfangen; der Weihrauchs¬
duft wallte empor, und die Gesänge der Priester priesen die
geweihte Nacht, wo die Herrlichkeit des Heilandes sich den
Menschen offenbarte.
Da wurde Wittekind tief ergriffen oon der Herrlichkeit
des Gottesdienstes der Christen, seine Augen füllten sich mit
Tränen, und stumm faltete er die Hände. Es war ihm, als
ob das Christnskind auf dem Arme der Jungfrau Maria ihni
winkte und spräche; „Komm her zu mir!" Er warf sich
vor dem Altar nieder auf die Kniee, und als alle verwundert
und erstaunt ihn umringten, rief er: „Ich bin Wittekind,
der Sachsenherzog; gebt auch mir die Taufe, daß ich ein
Christ werde, wie ihr!" Da umarmte ihn Karl, und lauter
Jubel erscholl durch das Frankenheer, denn dieser eine war
ihnen mehr wert, als zehn gewonnene Schlachten. Kaiser
Karl hielt ihn, so lang er lebte, hoch in Ehren, und gab ihm
ein neues Wappenschild, indem er das schwarze Pferd ohne
Zügel und Gebiß, welches Wittekind bis dahin in seinem
Schilde geführt hatte, in ein weißes verwandelte, damit die
weiße Farbe ein Zeichen seines aufrichtigen Glaubens und
feiner Wiedergeburt durch Christum Jesum sei.
105. Der Ziegenhirt im Khffhäuser.
Peter Klaus, ein Ziegenhirte aus Sittendorf, der seine
Herde am Khffhäuser weidete, pflegte sie am Abend auf einem
mit altem Gemäuer umschlossenen Platz ausruhen zu lassen,
wo er die Musterung über sie hielt. Seit einigen Tagen hatte
er bemerkt, daß eine seiner schönsten Ziegen bald nachher,
wenn er auf diesen Platz gekommen war, verschwand und
erst spät der Herde nachkam. Er beobachtete sie genauer und
sah, daß sie durch eine Spalte des Gemäuers durchschlüpfte.
Er wand sich ihr nach und traf sie in einer Höhlung, wo
sie fröhlich die Haferkörner auflas, welche einzeln von der
Decke herabfielen. Er blickte in die Höhe und schüttelte
den Kopf über den Haferregen, konnte aber durch alles
Hinstarren nichts weiter entdecken. Endlich hörte er über
Hessel und Ufer, Lesebuch 3. M.7