54
Erster Teil. In Haus und Hof.
Körpers, besonders auch in das Gehirn. Auch hier zeigt er seinen
verheerenden Einfluß, der sich um so schneller und heftiger offenbart,
je stärker an Alkohol das Getränk ist, und je häufiger es genossen
wird. Der Berauschte ist nicht Herr seiner selbst- er hat seine Worte
und Taten nicht mehr in der Gewalt,- er sündigt wider gute Sitte
und Gesetz.
Die Nerven, welche die Fähigkeit haben, die Blutgefäße in
gewisser Spannung zu erhalten, verlieren infolge Alkoholgenusses
diese Fähigkeit teilweise. Die Adern erschlaffen, erweitern sich und
werden mit Blut überfüllt. Das Blut steigt dem Trinker zum Kopfe-
das Gesicht, die Nase, die haut röten sich. Ls tritt vermehrte Wärme¬
abgabe ein, mit welcher naturgemäß auch vermehrte Abkühlung und
Abnahme der Körperwärme verbunden sind. (Es stellt sich zwar nach
Ermüdung und Abspannung durch die Aufnahme geistiger Getränke
in den Körper das täuschende Gefühl von Wärme ein. Dabei erfolgt
eine gewisse Erregung, und für ganz kurze Zeit steigert sich die
körperliche Leistungsfähigkeit. Allein die Erfahrung lehrt auch, daß
dieser Anregung bald ein um so größerer Abfall der Körperkraft
folgt. Treffend hat man den Genuß und die Wirkung des Alkohols
mit den Peitschenhieben verglichen, welche rohe Fuhrleute ermatteten
Pferden statt stärkenden Futters geben. Das gepeitschte Zugtier
bricht nicht selten unter den hieben vollends zusammen und verendet.
Ähnliches kann man als Wirkung des Alkohols täglich sehen. Die
lallende Sprache, die Unsicherheit der Bewegung, die schwankende
Haltung des Trinkers sind Anzeichen des Lrschlaffens der Muskeln.
Diese versagen nicht selten ganz den Dienst. Der Berauschte stürzt
wie gelähmt zu Boden und bleibt regungslos liegen. Ja, der Alkohol
wirkt, wenn eine große Menge eines stark alkoholhaltigen Getränkes
schnell getrunken wird, wie ein scharfes Gift geradezu oft tödlich.
Er lähmt das Gehirn, das Rückenmark, das herz. Nicht selten er¬
eignet es sich, daß bei wetten, bei denen aus prahlsucht oder aus Un¬
kenntnis ihrer Schädlichkeit große Mengen starker geistiger Getränke
schnell hinuntergetrunken werden, der Säufer auf der Stelle tot zu¬
sammenbricht.
2. Nicht gleich schnell übt der fortgesetzte Alkoholgenuß auf alle
Menschen, die sich dem Trunk ergeben, seinen schädlichen Einfluß aus.
Bei gewohnheitsmäßigem Trinken kommt es im Gehirn zu dauernden
Blutstauungen und Gefäßerweiterungen, welche entzündliche Zustände
erzeugen. Entartung und Schrumpfung des Gehirns, Schwund der
grauen Gehirnmasse, welche als der Sitz der hauptsächlichsten geistigen
Tätigkeit gilt, tritt ein- andauernde, heftige Kopfschmerzen, Wuche¬
rungen auf der harten Gehirnhaut und Blutergüsse folgen. Ähnliche
krankhafte Veränderungen bewirkt der Alkoholgenuß auch bei dem
Rückenmark und den Nerven. Säufer leiden an teilweiser Schwäche
und Lähmung der Muskeln, an schweren und hartnäckigen Augen-
und Ghrenleiden, ja sie verfallen nicht selten in Blindheit und
Taubheit.