ihrem Lehrer noch einmal danken zu können.“ Der alte Mann,
30 im höchsten Grade überrascht und gerührt, konnte keine Silbe
hervorbringen, einige Tränen, die ihm über die Wangen herab¬
rollten, zeigten zur Genüge seine dankbaren Gefühle. Der
König sagte ihm hierauf noch, es sei dafür gesorgt, daß er,
sobald es ihm beliebe, von Berlin nach Darmstadt mit Extra-
35 post frei zurückreisen könne.
204. Anmut und Güte der Königin liuise von Preußen.
n einem Frühlingstag ging die Königin im Lustgarten
am Schloß zu Potsdam spazieren. Da erblickte sie auf
einer Bank einen blassen, hagern Mann, der aufs äußerste er¬
schöpft und elend schien. Mitleidig sendet sie schnell einen
5 Diener mit einigen FTiedrichsdor zu ihm. Sie denkt, seine Not
durch die kleine Gabe zu lindern. Als der Diener mit dem
Geschenk zu dem Mann tritt, schüttelt dieser langsam und
freundlich den Kopf, weist die Gabe von der Hand und spricht
mit matter Stimme: „Ich bin nicht arm.“
10 Die Königin erfuhr das, und ihr weiches Herz schmerzte
die Besorgnis, daß sie den Mann mit dem Almosen gekränkt
habe. Schnell ging sie zu ihm und sagte mit teilnehmender
Stimme: „Ich habe Ihnen nicht wehe tun wollen.“ Der Mann
stand gerührt vor seiner Königin und konnte kaum ein Wort
15 des Dankes für die große Teilnahme sagen. „Kann ich Ihnen
nicht mit Geld helfen, so kann ich es vielleicht auf andre Weise“,
fuhr die Königin fort.
Nun erzählte der Mann, daß er den Winter über schwer
darniedergelegen habe und sich jetzt bei seinem ersten Ausgang
20 in der warmen Frühlingssonne erquicke. Er war ein wohl¬
habender Bürger aus Potsdam. „So werde ich Ihnen“, sagte
die Königin, „Erfrischungen senden, die Sie vielleicht nicht so
gut bekommen können. Der König liebt die guten Bürger seiner
Vaterstadt, und ich teile diese Empfindung von Herzen.“
25 Mehr als die Frühlingssonne hatte die Königin den Mann
erquickt. Er empfing viele Wochen lang jeden Mittag würziges
Obst und andre Erfrischungen, bis er ganz genesen war.
Nach Werner Hahn.