Full text: (Drittes und viertes Schuljahr) (Teil 2, [Schülerband])

Meer läuft, das ich nicht erst gezählt habe, so will ich euch sagen, 
wie viel Tropfen im Meere sind." 
Sprach der König: „Die andre Frage lautet: „Wie viel Sterne 
stehen am Himmel?" Das Hirtenbüblein sagte: „Gebt mir einengroßen 
Bogen Papier", und dann machte es mit der Feder soviel feine Punkte 15 
daranf, daß sie kaum zu sehen und fast gar nicht zu zählen waren 
und einem die Augen vergingen, wenn man darauf blickte. Darauf 
sprach es: „So viel Sterne stehen am Himmel als hier Punkte auf 
dem Papier; zählt sie nur!" Aber niemand war dazu imstande. 
Sprach der König: „Die dritte Frage lautet: Wie viel Sekunden 20 
hat die Ewigkeit?" Da sagte das Hirtenbüblein: „In Hinterpommern 
liegt der Demantberg; der hat eine Stunde in die Höhe, eine Stunde 
in die Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert 
Jahre ein Vöglein und wetzt sein Schnäblein daran, und wenn der ganze 
Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Sekunde der Ewigkeit vorbei." 25 
Sprach der König: „Du hast die drei Fragen gelöst wie ein Weiser 
und sollst fortan bei mir in meinem königlichen Schlosse wohnen, und 
ich will dich ansehen wie mein eignes Kind." Bruder Grimm. 
2ö4>. Oer Hrme und der Reiche. 
i. 
,or alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden unter 
den Menschen wandelte, trug es sich zu, daß er eines Abends 
müde ward und ihn die Nacht überfiel, eh' er zu seiner Herberge kommen 
konnte. Nun standen auf dem Wege vor ihm zwei Häuser einander 
gegenüber, das eine groß und schön, das andre klein und ärmlich anzu- 5 
sehen; das große gehörte einem reichen, das kleine einem armen Manne. 
Da dachte unser Herrgott: „Dem Reichen werde ich nicht beschwerlich 
fallen, bei ihm will ich übernachten." Als der Reiche an seine Tür 
klopfen hörte, machte er das Fenster auf und fragte den Fremdling, 
was er suchte. Der Herr antwortete: „Ich bitte um ein Nachtlager." 10 
Der Reiche guckte den Wandersmann vom Haupt bis zu den Füßen 
an, und weil der liebe Gott schlichte Kleider trug und nicht aussah wie 
einer, der viel Geld in der Tasche hat, schüttelte er mit dem Kopf und 
sprach: „Ich kaun euch nicht aufnehmen; meine Kammern liegen voll 
Kräuter und Samen, und sollte ich einen jeden beherbergen, der an meine 15 
Tür klopft, so könnte ich selbst den Bettelstab in die Hand nehmen. 
Sucht anderswo ein Auskommen!" Schlug damit sein Fenster zu und 
ließ den lieben Gott stehen. 
Plümer-Haupt-Bachmann, Lesebuch Ausg. B II. 
17
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.