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und den Lehnseid abzulegen; aber Ottokar kam nicht. Da griff Rudolf
zum Schwert und zog mit Hcercsmacht gegen den Widerspenstigen aus.
Auf dem Marchfelde, einige Meilen von Wien, kam es im Jahre 1278
zur entscheidenden Schlacht. Auf beiden Seiten wurde mit gleicher Er¬
bitterung und gleicher Tapferkeit gefochten. Selbst des Kaisers Leben kam
in Gefahr. Ein polnischer Ritter sprengte in wildem Ungestüm mitten
durch die feindlichen Scharen gerade auf Rudolf zu und hatte schon dessen
Pferd niedergestoßen, als noch zum Glück habsburgischc Reiter herbeieilten
und ihren Herrn aus der nahen Gefahr erretteten. Ottokar selbst focht
an der Spitze der Seinigcn mit einer Tapferkeit, die ein besseres Schick¬
sal verdient hätte; allein das Glück verließ ihn, seine Scharen wichen
überall zurück, er selbst ward im Gedränge niedergestoßen. Zwei steier¬
märkische Ritter, die er einst hart behandelt hatte, versetzten ihm den Todes¬
slreich. Sein Leichnam ward nachher in der Prager Schloßkapelle beigesetzt.
Auf der Walstatt fand man auch noch jenen polnischen Ritter schwer ver¬
wundet und wollte ihn seinen Frevel mit dem Tode büßen lassen; aber
Rudolf sprach: „Das wolle Gott verhüten! Einen so herzhaften Ritter
tobten, hieße dem ganzen Reiche einen unersetzlichen Schaden zufügen!" und
ließ ihn auf das sorgfältigste pflegen. Ebenso großmüthig zeigte er sich auch
gegen Ottokar's unmündigen Sohn, dem er das Königreich Böhmen ließ, die
österreichischen Länder aber gab er mit Bewilligung der Kurfürsten seinem
Sohne Albrecht und wurde so der Stammvater des österreichischen Hauses.
Bei so großer Macht verschmähete Rudolf den Prunk der römischen Kaiser¬
krone; er gieng nicht nach Italien wie seine Vorfahren, welche die Kraft
deutscher Jugend der römischen Hinterlist opferten; er unternahm auch keinen
Kreuzzug, wie Papst Gregor X. wünschte. Wohl aber brachte er mit starker
Hand die königliche Macht zu Ehren und die Gesetze wieder in Achtung.
Darum sagte auch ein gleichzeitiger Schriftsteller: „Ruhe und Friede folgte
auf Krieg und Zerrüttung. Der Landmann nimmt den Pflug wieder zur
Hand, der lange Zeit ungebraucht im Winkel lag; der Kaufmann, der aus
Furcht vor Räubern zu Hause blieb, durchreiset jetzt das Land mit großer
Sicherheit, und die Räuber und Bösewichter, die zuvor öffentlich und ohne
Scheu herumschwärmten, suchen sich in wüsten Gegenden zu verbergen."
Rudolf verachtete allen eitlen Schimmer, alle Üppigkeit und Weichlich¬
keit. Befand er sich mit seinen Kriegern auf dem Marsche, so schämte er
sich nicht, seinen zerrissenen Rock selbst auszubessern, und fehlte es an
Lebensmitteln, so war er der erste, welcher eine Rübe aus den Äckern zog,
um seinen Hunger damit zu stillen. Nie vergaß er auf dem Throne, daß
er Mensch sei. Jedermann hatte Zutritt zu dem menschenfreundlichen
Herrscher. Einst, da die Wache einen gemeinen Mann, der ihn zu sprechen
wünschte, nicht hinein lassen wollte, rief er ihr zu: „Ei, laß ihn doch her¬
ein! Bin ich denn zum Kaiser erwählt, daß man mich einschließe?"
Grube.
178. Der Gras von Habsburg.
Zu Aachen in seiner Kaiserpracht,
Im alterthümlichen Saale,
Saß König Rudolfs heilige Macht
Beim festlichen Krönungsmahle.
Die Speisen trug der Pfalzgraf des
Rheins,
Es schenkte der Böhme des perlenden
Weins,
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