Full text: Frankfurter Lesebuch für Fortbildungsschulen

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Prüft mir das Gemisch, 
ob das Spröde mit dem Weichen 
sich vereint zum guten Zeichen. 
Denn wo das Strenge mit dem 
Zarten, 
wo Starkes sich und Mildes paarten, 
da gibt es einen guten Klang. 
Drum prüfe, wer sich ewig bindet, 
ob sich das Herz zum Herzen findet! 
Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang. 
Lieblich in der Bräute Locken 
spielt der jungfräuliche Kranz, 
wenn die hellen Kirchenglocken 
laden zu des Festes Glanz. 
Achl des Lebens schönste Feier 
endigt auch den Lebensmai; 
mit dem Gürtel, mit dem Schleier 
reißt der schöne Wahn entzwei. 
Die Leidenschaft flieht, 
die Liebe muß bleiben; 
die Blume verblüht, 
die Frucht muß treiben. 
Der Mann muß hinaus 
ins feindliche Leben, 
muß wirken und streben 
und pflanzen und schaffen, 
erlisten, erraffen, 
muß wetten und wagen, 
das Glück zu erjagen. 
Da strömet herbei die unendliche Gabe, 
es füllt sich der Speicher mit köstlicher 
Habe; 
die Räume wachsen, es dehnt sich das 
Haus. 
Und drinnen waltet 
die züchtige Hausfrau, 
die Mutter der Kinder, 
und herrschet weise 
im häuslichen Kreise 
und lehret die Mädchen 
und wehret den Knaben 
und reget ohn' Ende 
die fleißigen Hände 
und mehrt den Gewinn 
mit ordnendem Sinn 
und füllet mit Schätzen die duftenden 
Laden 
und dreht um die schnurrende Spindel 
den Faden 
und sammelt im reinlich geglätteten 
Schrein 
die schimmernde Wolle, den schneeigten 
Lein 
und füget zum Guten den Glanz und 
den Schimmer 
und ruhet nimmer. 
Und der Vater mit frohem Blick 
von des Hauses weitschauendem Giebel 
überzählet sein blühend Glück, 
siehet der Pfosten ragende Bäume 
und der Scheune gefüllte Räume 
und die Speicher, vom Segen gebogen, 
und des Kornes bewegte Wogen, 
rühmt sich mit stolzem Mund: 
„Fest wie der Erde Grund 
gegen des Unglücks Macht 
steht mir des Hauses Pracht!“ 
Doch mit des Geschickes Mächten 
ist kein ew'ger Bund zu flechten, 
und das Unglück schreitet schnell. 
Friedr. v. Schiller. 
153. Sonntagmorgen in Werkstatt und Haus. 
Hheute war wieder Sonntag, in der Stadt und auf dem CLand. 
Da duͤrfte sich in Meister hennebergs Werkstatt kein Beil und kein 
Messer rühren, und die Diele mußte schon Samstag abend zur größten 
rdnung aufgeräumt sein. Die Vorräte an holz und Reifen waren 
regelrecht aufgestapelt, die Tonnen wie alle in Arbeit befindlichen 
Werkstücke und die Schneide- und Fügebänke waren in Reih und
	        
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