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blendeten Volkes blieb nicht aus. Mit Gott, dem er alle seine Anliegen
vortrug, stand er in steter Herzensgemeinschaft, und es war sein Bestreben,
seinem gesamten Volke die Religion zu erhalten. Aber er war ein Feind
aller Heuchelei und Scheinheiligkeit und wollte die Religiosität im ganzen
Verhalten und Tun des Menschen ausgeprägt sehen. Weil er jederzeit einen
ehrenhaften Wandel führte, ließ er sich seine Ehre auch von niemaudem an—
tasten.
3. Der siegreiche Held. Nachdem er von 1858 ab als Prinzregent
die Zügel der Regierung geführt hatte, bestieg er 1861, 64 Jahre alt, selbst
den Thron. Der Greis war ein Jüngling an Tatkraft. Gemeinsam mit
Osterreich entriß er 1864 den Dänen die deutschen Herzogtümer Schleswig
und Holstein. Größere Erfolge jedoch brachte der siegreiche Feldzug von 1866
gegen Osterreich. Der König war im Felde bei allen Anstrengungen einfach
und anspruchslos in seiner Lebensweise Vom frühen Morgen bis zur Nacht
weilte er gestiefelt und gespornt auf dem Schlachtfelde. Der Erfolg entsprach
aber auch der Arbeit; denn drei Provinzen erweiterten das Gebiet, und
Ruhm und Achtung zollte die Welt dem Könige, in dessen Hand der Ober—
befehl gelegen hatte, den umsichtigen Führern und den vraven Truppen.
Einige Jahre war dem Reiche Frieden beschieden, aber der Sonnenschein
des Glückes wurde noch einmal geslört. Die nach Ruhm dürstenden Franzosen
exklärten im Jahre 1870 an Preußen den Krieg. Da erhob sich ganz
Deutschland wie ein Mann. Der 13jährige König stärkte sich durch ein
Gebet an der Mutter Grabe zum schweren Kampfe. Ihre Worte, die sie
ihm einst ans Herz gelegt hatte, standen vor seiner Seele; jetzt sollten sie
erfüllt werden. Der Heldenkönig und seine Paladine zogen an der Spitze
ihrer mutigen Truppen gegen den Feind und erfochten Sieg auf Sieg, bei
Weißenburg, Wörth, Gravelotte (spr.: Grawelott), Sedan unv. a. O. Die
wichtigsten Festungen, wie Sedan, Metz, Straßburg und Belfort (spr.: Bellföͤr)
mußten sich ergeben, und deren Besatzungen wuͤrden gefangen genommen.
Mit dem Tage von Sedan (2. September), der den morschen Kaiserthron
Napoleons zertrümmerte, war eigentlich das Schicksal entschieden; jedoch
kostete es noch manchen schweren Kampf, bis die Franzosen zum Frieden sich
bequemen mußten. Als höchste Errungenschaft sollte jedoch aus diesem blutigen
Lriege die Einheit Deutschlands hervorgehen. Kbnig Wilhelm, der an der
Spitze der siegreichen Heere bis nach Paris vorgedrungen war, sollte auch
im Frieden Deutschlands Führer sein. In Versailles (spr.: Werßäj) wurde
er am 18. Januar 1871 zum Kaiser ausgerufen. Mit Recht neunt man
den Kaiser Wilhelm J. den Siegreichen und den Großen.
4. Der demütige Sieger. Ein taten- und erfolgreiches Leben war
dem Kaiser beschieden. Seine Feinde trat er unter seine Füße; er erstrahlte
im höchsten irdischen Glanze. Auf der ganzen Erde wurde sein Name mit
Ehren genannt, sein Ruhm verkündel. Der Gefeierte kannte aber keine
Selbstüberhebung, sondern wies jedes Lob selbstlos und bescheiden zurück.
Dagegen gab er stets Gott die Ehre; denn nur als ein Werkzeug Gottes
sah er sich an. Die nach der Schlacht bei Sedan an die Königin abgesandte
Depesche schloß z. B. mit den Worten: „Welch eine Wendung durch Gottes
Führung!“ Nach dem Kriege von 1866 sagte er in einer Ansprache an die
Militärgeistlichen: „Der Feldzug war kurz, aber glorreich, glücklicher als
jemand von uns zu hoffen gewaͤgt. Aber das war nicht unser Verdienst,
sondern Gottes gnädiger Beiftand. Auf den Knieen haben wir Gott dafüt