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Das ganze gelobte oder verheißene Land, im schönsten Theile des gemäßigt-
warmen Erdstrichs, am Meere und doch hoch gelegen, war einst in Wahrheit durch
Gottes Segen und der Menschen Fleiß ein gutes, edles Land, ein Land, da Milch
und Honig floß (5 Mos. 8, 7—9. Jos. 23, 13. 2 Mos. 3, 8. 17. 13, 5. Hesek.
20, 6.), ein Land, dem der Herr Regen gab zu seiner Zeit, Frühregen und Spät¬
regen, einzusammeln Getreide, Most, Oel und Gras des Feldes; auf das die Augen
des Herrn immerdar sahen von Anfang des Jahrs bis ans Ende (5 Mos. 11, 12
— 15.). Da ist nicht der große Abstand zwischen den längsten und kürzesten Tagen,
zwischen Sommerhitze und Winterfrost, noch die schnelle Abwechslung von Warme
und Kälte, wie in unsern nördlicheren Ländern. Der längste Tag währt von Mor¬
gens fünf Uhr bis Abends sieben Uhr, der kürzeste von Morgens sieben Uhr bis
Abends fünf Uhr; für beide aber wurden immer zwölf Stunden gerechnet (Joh. 11,
9.). Die Jahreszeiten sind Sommer und Winter (1 Mos. 8, 22.). Der Winter
oder die Regenzeit beginnt gegen Ende Oktobers niit dem Frühregen, der das Feld
zum Pflügen und Säen zubereitet und das dürre Land mit frischem Grün bekleidet
(Ps. 65, 11. 68, 10.), dessen Ausbleiben aber ein Gericht Gottes über das Land ist
(1 Kön. 17. Sachar. 14, 17.). Dann folgt im December die anhaltendere, kältere
Regen- und Schneezcit (2 Sam. 23, 20. Jerem. 36, 22—24.); aber schon im mil¬
deren Februar blühen die Bäume, vor allen der Mandelbaum, und die Saaten wachsen
heran, bis nach einigem Wechsel der Witterung der Spätregen im April das Getreide reift,
woraus die Sommerfrucht gesäet wird, und nach gänzlichem Aufhören des Regens
(Spr. 26, 1.) die Ernte beginnt mit dem zweiten Tage des Passahfestes, im tieferen
Lande Ende Aprils, auf den Höhen später. Nun tritt die heiße Jahreszeit ein mit
beständig heiterem Himmel bis in den Oktober, in welcher das Grün verdorrt, die
Quellen vertrocknen, der Glutwind von der Wüste oft das Land versengt, aber alle¬
zeit reichlicher Thau die Fluren erquickt, und vom Juni an die Trauben und andere
Sommerfrüchte zeilig werden. Quellen und Bäche oder gegrabene Brunnen
und Cistcrnen wässerten einst das Land (5 Mos. 8, 7.), deren viele setzt vertrocknet
und verschüttet sind. Stattliche Wälder immergrüner Eichen und Terpentinbänme
schmückten die Höhen und Abhänge der Berge; die schattige Platane, derhohe Buchs¬
baum und die gewürzige Myrte, die schlanke, ernste Cypresse, vor allen aber dll
majestätische und wohlriechende Ceder des Libanon waren eine Zierde des Landes.
Köstliche Fruchtbäume waren allenthalben gepflanzt: die herrliche Dattelpalme, das
Wahrzeichen des Landes, das Bild des Segens und Gedeihens, Mandel- und Gra-
natbäume, Quitten und Pistazien, Johannisbrod (von Luther „Trüber" überjetzt, Luc.
15, 16.) und Maulbeerfeigenbäume, besonders der nützliche Feigenbaum, dessen Früchte
ein gewöhnliches Nahrungsmittel, dessen Lauben ebenso geeignet sind für fröhliche
Geselligkeit (Sach. 3, 10. 1 Kön. 4, 25.), als für die Einkehr in die Stille (Joh.
1, 48.), und der noch jetzt am häufigsten gepflegte, dnnkelbelanbte Oelbaum mit sei¬
ner hochgeschätzten Frucht. Durch das ganze Land waren Weinberge mit vorzüg¬
lichem Gewächs, die reichlich tragenden Felder (1 Mos. 26, 12. Matth. 13, 8.) mit
Getreide, namentlich Weizen und Gerste, und mit Gemüsen aller Art bepflanzt,
jedes Fleckchen Boden in Thälern und auf Bergen von der fast unglaublich zahl¬
reichen, fleißigen Bevölkerung aufs sorgfältigste benützt und durch Terassenbau und
Bewässerung ertragsfähiger gemacht, Wielen und Weiden voll unzählbarer Heerden
von Rindern und hauptsächlich Schafen (Ps. 65, 10—14.).
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