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sprengende Ritter, eilig wandernde Kreuzfahrer, und alle Wege waren mit
Menschen bedeckt, die jubelnd das Feldgeschrei: „Gott will es haben!" hören
ließen. Wären die Menschen nicht so berauscht gewesen von ihrem Eifer, so
hätten sie über Commando und Verpflegung, über den einzuschlagenden Weg
u. s. w. Ueberlegungen angestellt, und Verabredungen getroffen; aber daran
dachte Keiner. Alle beruhigten sich bei dem Gedanken: Gott will es haben;
darum wird er auch selbst für Alles sorgen; daher wurde von Anfang an
Alles verkehrt angefangen. Aber Gott hilft nur denen, welche den ihnen ver¬
liehenen Verstand recht gebrauchen.
Der größte Haufen hatte sich unter die Anführung Kuknpeters begeben.
Es war dies aber fast nichts als liederliches Gesindel, welches nur darum
mitzog, um sich der Arbeit daheim zu entziehen, und unterwegs vom Plündern
zu leben. Dieser zahllose Haufen erschien zu Anfang des Frühlings vor der
Burg Gottfried's von Bouillon, Herzogs von Nieder-Lothringen, des¬
selben trefflichen Ritters, der schon bei der Schlacht bei Merseburg unter
Heinrichs IV. Heer erwähnt worden ist. Auf ihn setzten die Kreuzfahrer mit
Recht das größte Vertrauen, und wollten von ihm geführt sein. Gottfried
erschrak, als er den ungeregelten Haufen erblickte. Unmöglich konnte er Lust
haben, mit solchen Leuten zu ziehen. Er ermahnte sie, indessen voran zu ziehen.
So brach denn der Schwarm wieder auf, und setzte jubelnd den Weg über
Deutschland fort. Die große Anzahl dieser Leute bewog Petern, den Haufen
zu theilen. 15- bis 20,000 der ungeduldigsten, größtenteils Fußgänger, bil¬
deten den Vortrab. Sie wurden angeführt von einem Ritter, den man seiner
Armuth wegen Walther Habenichts nannte. Der Zug dieser Leute ging
durch Deutschland. Bis an die ungrische Gränze hielten sie Ordnung. Die
Ungern versprachen ihnen hinlängliche Lebensmittel, aber sie verlangten, daß
sie ruhig ihren Weg fortsetzten. Das war indessen diesen Leuten unmöglich.
Sie zerstreuten sich, verübten viele Gewaltthätigkeiten, und betrugen sich so
schlecht, daß endlich den Ungern die Geduld riß, und sie in der Gegend von
Semlin sechszehn dieser Bösewichte tobt schlugen. Aber die nachdrücklichste
Züchtigung wartete ihrer erst im Lande der Bulgaren, in welches sie nun
traten. Dies rohe Volk glaubte, die Kreuzfahrer kämen in feindlicher Absicht,
und wollte ihnen daher keine Lebensmittel geben, und da diese selbst zugrifsen,
so sielen die Einwohner über sie her, schlugen ihrer eine Menge tobt, spreng¬
ten die klebrigen in die Wälder, in denen die Meisten vor Hunger umkamen,
und verbrannten 140, welche sich in eine Kirche geflüchtet hatten. Ein kleiner
Rest gelangte endlich im allerkläglichsten Zustande bis ins griechische Gebiet,
und erhielt vom griechischen Kaiser Alexius Comuenus die Erlaubniß,
bei Constantiuopel deu Nachzug erwarteu zu dürfen.
Nicht viel besser ging es Petern mit seinem Haufen. — In Ungarn
wurde er eben so gütig ausgenommen, als Walther, und hielt ziemlich Ord¬
nung. Aber eben wollte er schon nach Bulgarien übergehen, als er auf den
Mauern jener ungrischen Stadt die Waffen der dort erschlagenen sechszehn
Kreuzfahrer erblickte. Auf seinen Wink stürzte sogleich seine ganze Schaar auf
die Mauern los. Diese werden erstiegen, die meist unschuldigen Einwohner
ermordet, und die übriggebliebenen in Ketten mitgeführt. Aber nun war es
auch Zeit, sich fortzumachen; denn schon rückte der Ungernkönig (Colomann)