342
Blättern überrascht uns durch ihre Üppigkeit; und einladend winkt die wilde
Ananas, die an Süße und Wohlgeruch von der Gartenananas kaum über—
troffen wird.
Wie in den Wäldern und an den Flußufern ist auch in den Llanos
die Tierwelt reich vertreten. Unzählige, winzig kleine und größere Vögel
schwirren um uns her. Wir sehen hier farbige Kolibris und zierliche
Reis-⸗ und Blau-Vögel, kleine Tauben und Wachteln ersetzen den Sperling
des Nordens. Vor ihrem Erdloch sitzt unbeweglich die Savannen-Eule,
und rotköpfige Spechte untersuchen mit ihren Schnäbeln modernde Baum—
stämme. Wo sich in Vertiefungen ein See oder Sumpf gebildet hat, weilen
zahlreiche Sumpf- und Wasservögel: weiße und graue Reiher, rosafarbene
Löffelgänse, blaue und braune Wasserhühner, der Pajarro vaco, dessen Stimme
Ähnlichkeit mit dem Brüllen einer Kuh hat, und beweglos sitzend oder gravi—
tätisch einherschreitend der mannsgroße „Soldado“, fo genannt seines roten
Kragens wegen. Den größten Teil des Körpers im Wasser und verdeckt von
den fleischigen Blättern des Rhabano weilt hier der Tapir und das Wasser—
schwein, von denen ersterer sehr furchtsam und scheu und äußerst schwer zu
erjagen ist; sein Fleisch ist wohlschmeckend und die Haut ihrer Stärke
wegen sehr gesucht. Wo es freies Wasser gibt, tummeln sich Scharen von
wilden Enten, darunter die beinahe gansgroße Königsente. Die feuchten
Ufer dieser Sümpfe sind ferner reich an Schildkröten, es gibt ihrer drei
Arten: die am häufigsten anzutreffende Morocoi, die seltenere Icotea und
endlich die kleine Galopago-Schildkröte. Die beiden ersteren Arten bilden
eine beliebte Fastenspeise. Als Besonderheit der Llanos erwähne ich noch
das Gürteltier, das gleichfalls einen vorzüglichen Braten liefert, an dem
nur ein mehr oder minder starker Moschusgeruch auszusetzen wäre. Aber
auch viel schädliches Gewürm bergen diese üppigen Grasebenen; und zahl—
reiche Schlangen, darunter die berüchtigte Klapperschlange, machen ihr Be—
treten, namentlich kurz nach Sonnenuntergang, gefährlich. Vor wenigen
Monaten hatte ich das Unglück, von einem ziemlich großen Exemplare dieser
Gattung gebissen zu werden; augenblickliches Aussaugen der Wunde, Aus—
waschen derselben mit Ammoniak, sowie innerlicher Gebrauch desselben
retteten mir das Leben; aber mehrere Wochen noch hatte ich an den Folgen
dieses Bisses zu leiden. Schwindel und häufiges Erbrechen, körperliche
Schwäche und Nervenkrämpfe stellten sich zu wiederholten Malen ein; auch
glaube ich, daß es kaum eine schmerzhaftere Wunde gibt als die eines
Schlangenbisses.
Ein nicht minder hehres Schauspiel, als das des Sonnenaufgangs
in den Llanos, bietet uns der Sonnenuntergang. Wie flüssiges Gold strahlt
hier der Horizont, und die dem Boden entsteigenden Dünste breiten einen
dünnen Schleier darüber, daß der Glanz dem Auge wohlthut, es aber nicht
blendet. Und dann, wenn die Sonne geschwunden, welche Zartheit der
Lufttöne, dieser Übergang vom dunkelsten Rot in tiefes Violett, vom lichten
Blau in durchsichtiges Grün! Die langsam dahinschreitenden Passatwolken
scheinen in zartes Rosa getaucht, das erst erblaßt, wenn auch die letzten