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IV. Gott und Tugend.
249. Die Katzen und der Hausherr.
1. Tier'und Menschen schliefen feste,
Selbst der Hausprophete schwieg,
Als ein Schwarm geschwänzter Gäste
Von den nächsten Dächern stieg.
4. Endlich tanzen alle Katzen,
Poltern, lärmen, daß es kracht,
Zischen, heulen, strudeln, kratzen,
Bis der Herr im Haus erwacht.
2. In dem Vorsaal eines Reichen
Stimmten sie ihr Liedchen an,
So ein Lied, das Stein' erweichen,
Menschen rasend machen kann.
3. Hinz, des MurnerSchwiegervater,
Schlug den Takt erbärmlich schön,
Und zween abgelebte Kater
Quälten sich ihm beizustehn.
5. Dieser springt mit einem Prügel
In dem finstern Saal herum,
Schlägt um sich, zerstößt den Spiegel,
Wirft ein Dutzend Schalen um,
6. Stolpert über ein'ge Späne,
Stürzt im Fallen auf die Uhr
Und zerbricht zwei Reihen Zähne. —
Blinder Eifer schadet nur.
Magnus Gottfried Lichtwer.
250. Der Kuckuck und die Nachtigall.
1. Einmal in einem tiefen Thal
Der Kuckuck und die Nachtigall
Ein Wett' thäten anschlagen,
Zu singen um das Meisterstück.
Wem das geläng' durch Kunst und Glück,
Dank sollt' er davontragen.
2. Der Kuckuck sprach: „So dir's gefällt,
Den Richter hab' ich schon bestellt,"
Und thät den Esel nennen.
„Denn weil seine Ohren groß und weit,
Kann er mit Fug und Sicherheit,
Was billig ist, erkennen."
3. Als ihm die Sach' ward kundgethan,
Nahm er das Amt mit Freuden an
Und hieß die Nachtigall singen.
Die sang ihr Lied gar lieblich aus;
Doch jener sprach: „Du machst mir's kraus,
Ich kann's in den Kopf nicht bringen."
4. Der Kuckuck hub nun an den Sang:
„Kuckuck! Kuckuck!" den lebenslang
Er einzig läßt erschallen.
Dem Esel fiel so voll und rein
Der Wiederhall ins Ohr hinein,
Das thät ihm baß gefallen.