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Buũrgermeister Dreysas, umgeben vom Stadtrate, den Stadt-
verordneten und Ehrenjungfrauen, die hohe Frau. Nach der
Rede des NMetropolitans überreichte eine Schülerin der Stadt-
schule im Namen der Kinder Dreysas einen Blumenstraub als
Zeichen herzlicher Liebe und Dankbarkeit. Die Kaiserin reichte
dem Kinde die Hand und sagte zu den Herren: „Auf dem
Bahnhofe habe ich die schönen Trachten der hiesigen Bevölkerung
bewundert; hier freus ich mich darüber, wie sehön die Kinder
aussehen. Für Ihre verschiedenen Begrüßungen, mit denen Sie
mich sehr erfreut haben, danke ich Ihnen recut herzlich.“
Nicht minder schön gestaltete sich die Begrüßung am LEin-
gange der Anstalt „Hephata,“ der ebenfalls mit einer herrlichen
Ehrenpfortæ geschmückt war. Der Anstaltsvorsteher, Pfarrer
Schuchhardt, mit den geladenen Geistlichen führte den hohen
Besuch in das neue Gotteshaus, das nun im Pestgottesdienste
vom Generalsuperintendenten geweiht wurde. Die Altarbibel für
die Kirche hatte die Kaiserin gestiftet und in sie eigenhändig
die Bibelstelle Joh. 14, 6: „Ich bin der Weg und die Wahrheit
und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich!“
eingeschrieben.
Nach Schluß des Weihegottesdienstes besichtigte die Kaiserin
mit ihrer Begleitung die Anstalt. Auf dem groben, freien
Platze inmitten der Gebäude hatten die vieloen Insassen Auf—
stellung genommen. Die Mädchen waren mit Blumen und
Krünzen geschmückt, die Knaben und Jünglinge trugen Fähn-
chen. Trotz ihrer Armut — ihnen fehlt ja das köstlichste
Gut, das der Mensch hat, die Gesundheit — waren die kleinen
Anstaltsbewohner froh und heiter. Und als die Kaiserin gar in
ihre Mitte kam und die Huldigung eines kleinen Jungen, der
mit seinen Krücken unter den Armen aus der Reihe heraustrat,
freundlieh lächelnd entgegennahm, kannte ihre Freude keine
Grenzen. Eine Gruppe kleiner Mädchen führte dann unter der
Leitung der Schwestern vor den Augen der Kaiserin einen
Gesangsreigen auf, dem Vorträge von Liedern und Posaunen-
chören folgten. Den Kantor Stumpf und den Lehrer Siebert
ließ die hohe Erau zu sich rufen und dankte ihnen für die
schönen Leistungen. Dann bestieg sie freundlich grübend ihren
Vagen, um unter den brausenden Hochrufen der Menge durch
die Stadt zurũckzufahren.
Am Bahnhofe beschied die Kaiserin noch einmal den Führer
der Schwälmer Abordnung, Bürgermeister Siebert aus Wiera,