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2. So dir geschenkt ein Knösplein was,
So tu es in em Wasserglas!
Doch wisse:
Blüht morgen dir ein Röslein auf,
Es welkt wohl schon die Nacht darauf;
Das wisse, ja wisse!
3. Und hat dir Gott ein Lieb beschert,
Und hältst du es recht innig wert,
Das Deine:
Es wird nur wenig Zeit wohl sein,
Dann läßt es dich so gar allein;
Dann weine, ja weine!
4. Nur mußt du mich auch recht verstehn,
Ja, recht verstehn: —
Wenn Menschen auseinander gehn,
So sagen sie: „Auf Wiedersehn!“
Ja, Wiedersehn!
E. von Feuchtersleben.
8. Ein geistlich Abendlied.
L. Es ist so still geworden,
Verrauscht des Abends Weh'n,
Nun hört man allerorten
Der Engel Füße gehn.
Rings in die Tale senket
Sich Finsternis mit Macht; —
Wirf ab, Herz, was dich kränket,
Und was dir bange macht!
2. Es ruht die Welt in Schweigen,
Ihr Tosen ist vorbei,
Stumm ihrer Freude Reigen
Und stumm ihr Schmerzensschrei.
Hat Rosen sie geschenket,
Hat Dornen sie gebracht, —
Wirf ab, Herz, was dich kränket,
Und was dir bange macht!
3. Und hast du heut' gefehlet,
O schaue nicht zurück!
Empfinde dich beseelet
Von freier Gnade Glück!
Auch des Verirrten denket
Der Hirt auf hoher Wacht, —
Wirf ab, Herz, was dich kränket,
Und was dir bange macht!
4. Nun stehn im Himmelskreise
Die Stern' in Majestät:
In gleichem, festem Gleise
Der goldne Wagen geht.
Und gleich den Sternen lenket
Er deinen Weg durch Nacht, —
Wirf ab, Herz, was dich kränket,
Und was dir bange macht!
Gottfried Kinkel.