gegenüber sind fast alle zugefroren. Sieh, unsere Milchfrau kommt
über die Straße. Sie will uns Milch bringen. O, wie sieht sie
ans! Sie ist ganz in Tücher und Mantel eingehüllt. Nur ihre
Nasenspitze ist zu sehen. Wie mögen ihr wohl die Hände frieren
trotz der dicken wollenen Handschuhe, die sie anhat. Da haben
wir es besser. Wir haben eine warme Stube, und unser Ofen sieht
schon ganz rot aus, so viele Mühe gibt er sich, um das Zimmer
zu wärmen. Die heiße Kaffeekanne dampft auf dem Tisch. Die
Mutter schmiert uns Butterbrote, und der Vater trägt einen vollen
Kohlenkasten in die Stube. —
Ja, wir können nicht klagen.
137. WaldUUe. Nach Peter Rosegger.
1. Wald litte war das Kind armer Leute.
n einem kleinen Häuschen mitten im Gebirge lebte
ein armer Holzschläger, namens Bertold. Er war
ein braver, fleißiger Mann, aber das Holzschlagen
brachte wenig ein, so daß er seine große Kinder¬
schar nur mühsam ernähren konnte. Dazu hatte er
eine kranke Frau, die das Bett schon seit Monaten
nicht hatte verlassen können. Wohl ward Bertold zuweilen von
seinen Freunden und Nachbarn unterstützt, denn sie hatten alle den
braven Mann gern, und seine Not tat ihnen leid, aber sie waren
selber arm und hatten nur wenig zu geben. In seiner Sorge
nun um die kranke Frau, die kräftige Suppe haben sollte, und
für die Kinder, denen ab und zu ein Stückchen Fleisch so nötig
war, ging er am Abend, wenn er von der Arbeit kam, zuweilen
heimlich mit einem alten Gewehr in den Wald und suchte ein
Stück Wild zu erlegen. Ihr wißt aber wohl, daß es streng ver¬
boten ist, in einem fremden Walde Wild zu schießen, und daß,
wenn der Förster einen solchen Wilddieb ertappt und zu Gericht
bringt, dieser harte Strafe zu erwarten hat. So hatte die kranke
Frau neben allem andern Kummer auch immer noch die Sorge,
daß man ihren Mann gefangen nehme und ins Gefängnis bringe.