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Erde in ihrer Bahn um die Sonne größer als in der Sonnenferne. Den Grand dieser
ungleichen Bahngeschwindigkeit werden wir später erkennen. Hieraus sowie nach
dem unter 3. Gesagten muß sich
6. eine ungleiche Dauer der Jahreszeiten ergeben. Eine Jahreszeit ist astro¬
nomisch um, wenn die Sonne scheinbar 90° der Ekliptik in Beziehung auf die Äqui-
noktial- und die Solstitialpunkte durchlaufen hat. Nun bewegt sich aber, während die
Erde mit abnehmender Geschwindigkeit von F bis &, mit meist zunehmender Geschwin¬
digkeit von & bis H, mit noch vergrößerter Geschwindigkeit von H bis a, und endlich
mit immer noch größerer, aber von P an abnehmender Geschwindigkeit von a bis
wieder nach F schreitet: die Sonne
von T bis ® in 92,91 Tg.
» ® n » 93,57 „
a „ <6 „ 89,70 „
V 5i T „ 89,07 „
Es ist deshalb der Frühling der nördl. Halbkugel = 92,91 Tg.
„ Sommer „ = 93,57 „
das Sommerhalbjahr = 186,48 Tg. •
dagegen der Herbst der nördl. Halbkugel = 89,70 „
Winter „ = 89,07 .,
das Winterhalbjahr = 178,77 Tg.
Demnach ist unser Sommerhalbjahr 7,71 Tg. länger als unser Winterhalbjahr,
was offenbar eine Wohltat für uns ist. Auf der südlichen Halbkugel gestalten sich
die Verhältnisse natürlich gerade entgegengesetzt. Das längere Sommerhalbjahr ver¬
danken wir dem Umstände, daß in der Bahnhälfte, welche die Erde in dieser Zeit
durchläuft, das Aphelium liegt, und darum die Erde sich im ganzen langsamer bewegt,
als in der anderen Hälfte der Bahn, außerdem aber auch jene erste Hälfte größer
als diese ist.
So wie die Verhältnisse sich gegenwärtig gestalten, waren sie aber nicht immer
und werden sie auch in Zukunft nicht bleiben, weil infolge der sogenannten Störungen
der Erde durch die Planeten die Apsidenlinie und damit Perihel und Aphel zwar lang¬
sam, aber doch beständig ihre Lage ändern, und zwar rechtläufig, d. h. in der
Richtung der Zeichen der Ekliptik. In etwa 21000 Jahren ändert die Apsidenlinie
in Beziehung auf den Frühlingspunkt, diesen wichtigen Punkt des Himmels, ihre Lage
um volle 360° oder vollendet sie ihre tropische Revolution. Jährlich rückt sie gegen¬
wärtig um 61",7, in einem Jahrhundert also um Io,72 vor. Hiernach läßt sich unge¬
fähr berechnen, wie die große Achse der Erdbahn in früheren Zeiten gelegen hat und
in der Zukunft liegen wird. Nach den Berechnungen von Laplace fiel etwa um
4000 v. Chr. P in i?, also die Apsidenlinie mit der Äquinoktiallinie zusammen; es
muß damals also diese Linie die Erdbahn halbiert haben und das Sommerhalbjahr dem
Winterhalbjahr gleich gewesen sein. Im Jahre 6470 n. Chr. wird P in F liegen, also
wieder das Sommer- dem Winterhalbjahr gleich sein, von nun aber ersteres für die
südliche Halbkugel länger werden, als für die nördliche. Es werden sich dann allmäh¬
lich die jetzigen Verhältnisse umkehren, und dadurch wird unsere Halbkugel in eine
unangenehmere Lage geraten. Auf die klimatischen Verhältnisse dürfte dies nicht
ohne Einfluß sein, und manche Physiker stellen sogar für unsere Halbkugel eine neue
Eiszeit in Aussicht. Wir können die Sache ruhig abwarten !
7. Ungleiche Dauer der wahren Sonnentage. Daß die Sonnentage wegen der
fortschreitenden Bewegung der Erde länger sein müssen als die Sterntage, haben wir