Full text: (Für das zweite Schuljahr) (Band 1, [Schülerband])

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Herbst. 
7. So mach' nicht auf den Riegel 
Und thu nicht auf das Thor, 
Sonst pack' ich dich beim Flügel 
Und fasse dich beim Ohr!" 
8. Und ruht nicht eher wieder, 
Bis sauber ist der Ort. 
Dann reckt er seine Glieder 
Und murrt in einem fort. 
9. Doch morgens in der Frühe 
Stellt sich der Hunger ein, 
Da soll für seine Mühe 
Ihm auch ein Frühstück sein. 
10. Drum geht die Magd zumKeller, 
Bringt Milch und Brot heraus, 
Das brockt sie in den Teller 
Und stellt's ihm hin zum Schmaus. 
11. Und wie sie sanft ihn streichelt, 
Erfreut's den wackern Hans, 
Er schmunzelt und er schmeichelt 
Und wedelt mit dem Schwanz. 
Friedrich Güll. 
189. Das Lätzchen und die Stricknadeln. 
Es war einmal eine arme Frau, die in den Wald ging, um Holz 
zu lesen. Als sie mit ihrer Bürde auf dem Rückwege war, sah sie ein 
krankes Kätzchen hinter einem Zaune liegen, das kläglich schrie. Die arme 
Frau nahm es mitleidig in ihre Schürze und trug es nach Hause zu. 
Auf dem Wege kamen ihre beiden Kinder ihr entgegen, und wie sie 
sahen, daß die Mutter etwas trug, fragten sie: „Mutter, was trägst du?" 
und wollten gleich das Kätzchen haben. Aber die mitleidige Frau gab 
den Kindern das Kätzchen nicht, aus Sorge, sie möchten es quälen, 
sondern sie legte es zu Hause aus alte, weiche Kleider und gab ihm 
Milch zu trinken. Als das Kätzchen sich gelabt hatte und wieder ge¬ 
sund war, war es mit einem Male fort und verschwunden. Nach einiger 
Zeit ging die arme Frau wieder in den Wald, und als sie mit ihrer 
Bürde Holz auf dem Rückwege wieder an die Stelle kam, wo das kranke 
Kätzchen gelegen hatte, da stand eine ganz vornehme Dame dort, winkte 
die arme Frau zu sich und warf ihr fünf Stricknadeln in die Schürze. 
Die Frau wußte nicht recht, was sie denken sollte, und es dünkte diese 
absonderliche Gabe ihr gar gering; doch nahm sie die Stricknadeln und 
zeigte sie ihren Kindern und legte die fünf Stricknadeln des Abends 
aus den Tisch. Als aber die Frau des andern Morgens ihr Lager 
verließ, siehe, da lagen ein paar neue, fertig gestrickte Strümpfe auf dem 
Tische. Das wunderte die arme Frau über alle Maßen, und am 
nächsten Abend legte sie die Nadeln wieder auf den Tisch, und am 
Morgen daraus lagen neue Strümpfe da. Jetzt merkte sic, daß zum 
Lohn ihres Mitleids mit dem kranken Kätzchen ihr diese fleißigen Nadeln 
beschert waren, und ließ dieselben nun jede Nacht stricken, bis sie und 
die Kinder Strümpfe genug hatten. Dann verkaufte sie auch Strümpfe 
und hatte genug bis an ihr seliges Ende. Ludwig Bechstein.
	        
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