Full text: Prosaheft Nr. 1 für die Klasse III (Prosaheft Nr. 1, [Schülerband])

V. von Scheffel, Die Hunnenschlacht am Hohentwiel. 69 
schwärmten von der Seite ein — weh dem Gefallerien, den seine Brüder 
nicht in die Mitte nahmen. 
Da gedachten die Leichtbewafflleten, vom Walde ben Hunnen in den 
Rückell zu brechen. Hörnerruf ries sie zur Sammlung, sie rückten vor 
— aber mit eines Gedankens Schnelle waren die feindlichen Rosse ge¬ 
wendet, Pfeilregen prasselte in die Anrückenden, sie stutzten, wenige 
schritten weiter, auch sie wurden geworfen. 
Weiter wogte der Feldstreit drallßen im Thalgrund. Schier wankten 
die schwäbischen Reihen, ermüdet des ungewohnten Fechtens. Bedenklich 
schaute Simon Bardo darüber hin und schüttelte das Haupt: „Die 
schönste Kriegskullst," brummte er, „ist vergeudet an diesen Centauren; 
das sprengt ab mld zu und schießt aus der Ferne, als wär' meine drei¬ 
fache Schlachtordnung für nichts da; es thäte wahrhaft not, daß man 
des Kaisers Leo Buch über die Taktik ein eigen Kapitel vom Hunnen- 
angrisf zufügte!" Er ritt zu den Mönchen und schied sie wieder in zwei 
Heerhaufen; die von Sankt Gallen sollten zur Rechten, die Reichenauer 
zur Linken des Heerbanntreffens vorrücken, dann schwenkell, daß der 
Feind, den Wald im Rücken, in weitem Halbkreis eingeschlossen sei. 
„So wir sie nicht eilrklemmen, halten sie llicht stand," ries er und schwallg 
sein breites Schlachtschwert; „auf und drauf denn!" 
Wildes Feuer leuchtete aus aller Augen. Marschbereit standen die 
Reihen. Jetzt warf sich noch ein jeglicher ins Kllie, griff eine Scholle 
vonl Boden auf und streute sie rückwärts über seil: Haupt, daß es ge¬ 
weiht und gefeit sei durch die vaterländische Erde — dann ging es in 
den Kampf. Tie voll Sankt Gallen stinlmten den frommen Schlacht- 
gesang an: 
Ach, unser Leben ist nur halbes Leben! 
Des Todes Boten ständig uns umschweben. 
Wen mögen wir als Helfer uns ersleh'n, 
als dich, o Herr! den Richter der Bergeh'n? 
Heiliger Gott! 
lllld vom anderen Flügel sangen die Reicheilauer Mönche entgegen: 
Dein harrten unsre Väter schon mit Sehnen, 
und du erlöstest sie von ihren Thränen, 
zu dir hinaus erging ihr Schrei'n und Rufen, 
du warfst sie nicht von deines Thrones Stufen. 
Starker Gott! 
Schon standen sie im Handgemeng. Stamlend hatten die Hunneil 
die herannahenden dunkeln Scharell erschaut, Geheul lmd der zischende, 
teuflische Ruf: hui! hui! war ihre Antwort ans den Gesang; auch Ellak 
teilte seine Reiter zum Angriff, und ringsum tobte der Kampf. Gesporilte 
Rosse durchbrachen das schlvache Häuflein derer von Sankt Gallen, 
grinlmes einzelnes Streiteil begann, es rang die Kraft mit der Schnelle,
	        
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