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Prosaheft I.
den Gesang „Komm, heil'ger Geist" die Gnade Gottes an. Daraus
schlugen sie zuerst je zehn umsichtige Fürsten vor aus den Landschaften
Bayern, Schwaben, Franken, Sachsen, welche — (wohl in einer Art
Vorwahl) — küren sollten, und alle übrigen versprachen, der Wahl bei¬
zustimmen. Die Wählenden bezeichneten aber in der Versammlung aus
allen Edlen drei, welche an Macht und Tüchtigkeit ausgezeichnet waren,
nämlich den Herzog Friedrich, den Markgrafen Liupold, den Herzog Lothar,
und schlugen vor, einen von diesen dreien, der allen gefiele, zum König
zu wählen"
Damit war der Staufer Friedrich aber nicht einverstanden, da er
als nächster Verwandter der Salier auf die Krone mit Sicherheit ge¬
rechnet hatte. Auch ging er nicht — wie die beiden anderen — auf die
vom Erzbischof gestellte Forderung ein, im voraus fein Einvernehmen
mit der Entscheidung, wie sie auch ausfallen möge, zu erklären.
„Nun versammelten sich die Fürsten zu der Wahl, nur Herzog
Friedrich war abwesend und mit ihm der Bayernherzog (sein Schwager).
Es wurden die Fürsten ermahnt, in gemeinsamem Rate sorglich den Mann
zu suchen, den sie mit Gott und zur Ehre der Kirche dem Reich vorsetzen
könnten. Da plötzlich wurde von vielen Laien der Ruf erhoben: „Lothar
sei König!" Sie ergreifen den Herzog, sie setzen ihn auf ihre Schultern
und heben ihn in die Höhe, während er sich gegen den Königsruf sträubt
und widerspricht.
Viele Fürsten aber, zumal die Bischöfe des Bayerlandes, zürnten,
weil das große Werk ratlos und im Tumulte geschehe. Sie riefen
mit gerechtem Unwillen, daß sie von ihren Sitzen gedrängt wären, und
schickten sich zornig an, die anderen zu verlassen und vor vollendetem
Werke gänzlich aus der Versammlung zu scheiden. Der Mainzer aber
mit einigen anderen befahl, die Thür zu besetzen, daß niemand aus- oder
eingehe, weil die einen im Inneren ihren König lärmend herumtrugen,
andere von außen mit lautem Geschrei andrangen, den König auszurufen,
den sie noch nicht kannten. Schon wurde der Zwist unter den Fürsten
selbst so arg, daß Lothar heftig über den gegen ihn gerichteten Angriff
zürnte und Sühne verlangte, die (bayrischen) Bischöfe aber, erbittert über
ihre Bedrängnis, sich den Ausgang erzwingen wollten. Da beruhigten
der Kardinal und die übrigen Herren von besserer Einsicht endlich den
Ausstand mühsanr durch Stimme und Hand und bewirkten, daß alle zu
ihren Sitzen und zur Beratung zurückkehrten.
Darauf nahm der Herr Kardinal die bayrischen Bischöfe beiseite,
legte ernsthaft die Schuld des Zwiespalts aus ihre Häupter und machte
sie verantwortlich für Raub, Blutvergießen und Brand und alles Leiden,
das aus dieser Trennung hervorgehen werde, wenn sie nicht selbst sich
zu Friede und Eintracht zurückwendeten .... Diese erklärten aber, ohne
den Herzog, der abwesend war, nicht über die Königswürde beschließen
zu wollen.