Full text: Für Tertia (Abtheilung 1, [Schülerband])

Storm: Abseits. Matthisson: Abendlandschaft. Neuffer: Die Landschaft. 155 
45 Überschattet vom zitternden Laub hochragender Pappeln. 
Fleißige Menschen auch seh' ich zerstreut im weiten Gefilde, 
Pflegend der Feldarbeit, und es steigen verworrene Töne 
Dumpf erbrausend empor, des geschäftigen Tages Verkünder. 
Siehe, zur Rechten begrenzt ein Gebirg' die lachende Gegend, 
50 Ganz mit grünenden Wäldern bedeckt, wo mit sonnigen Höhen 
Dunkle Vertiefungen wechseln in wellenförmigem Zuge. 
Hin und wieder erhebt sich ein Fels mit nacktem Gesteine, 
Alt wie der Schöpfungstag und Sturm und Wetter verachtend; 
Aber den obersten Gipfel, der hoch zu den Wolken emporstrebt, 
55 Deckt die Trümmer aus voriger Zeit, das graue Gemäuer 
Einer verfallenden Burg. Es schweigen die öden Gemächer, 
Kriechendes Moos umzieht die Bastei'n, durch offene Fenster 
Wächst die hangende Birke; das Thor, wo Helden gewandelt, 
Ist durch Dornengestrüuche versteckt, und klagende Eulen 
60 Nisten im Rittersaal, wo Harfen erklangen und froher 
Lieder Getön an Tagen des Siegs und festlicher Freude. 
Links erscheinen vor mir in unabsehbarer Krümmung 
Luftige Rebenhöhn, in langen Terrassen sich hebend. 
Ach, wie rinnet der Schweiß vom Angesichte des Pflanzers, 
65 Bis er d-ie kriechende Reb' an schützende Pfähle gebunden 
Und den Boden umhackt und frische Erde gehäuft hat! 
Doch wie reichlich vergilt die unverdrossene Arbeit, 
Wenn der gesegnete Herbst auf die reichen Hügel herabsteigt, 
Wenn die Traube gereift die welkenden Blätter durchschimmert, 
70 Wenn die Winzer geschart um die schweren Stöcke sich sammeln, 
Wenn der schäumende Most aus räumigen Kufen herabfleußt! 
Welch ein buntes Gewühl von beglückten, fröhlichen Menschen 
Wird sich drängen daselbst, und welche Stimmen der Freude 
Tönen sodann in die Luft und hallen von Hügel zu Hügel! 
75 Aber hinaus in den Hintergrund der bezaubernden Gegend 
Seh' ich Dörfer an Dörfer gereiht in freundlichen Gruppen, 
Jedes mit fruchtbaren Bäumen umringt, und im Raume dazwischen 
Lachen die blumigen Wiesen, die sich wie ein Teppich verbreiten, 
Schließen die Aecker sich an, die mit sprossenden Saaten begrünt sind. 
80 Näher den Bergen sodann erheben sich grasige Weiden, 
Wo sich die wiehernden Ross' und brüllende Rinder ergehen, 
Aus den Dörfern dahin von munteren Hirten getrieben. 
Wenn dann der Wiesenschmuck für die klirrende Sense gereift ist, 
Wenn in dämmernder Frühe sich schon die Mäher versammeln 
85 Und die Bewohner nun alle mit Weib und Kindern hinausziehn, 
Andre, das Gras zu wenden, und Andre, die Schwaden zu häufeln, 
Drauf die Wagen erscheinen und rüstige Jünglinge fleißig 
Thürmen die Last des Segens und heim in die Scheuern sie führen: 
Welch ein Jubel wird dann die lärmenden Thäler erfüllen! 
90 Doch welch größerer noch, wenn das Dorf vom Dengeln der Sicheln 
Widerhallt, da zur Ernte die rüstigen Schnitter sich rüsten, 
Wenn, mit Nahrung beschwert, die goldene Aehre dahinsinkt 
Und, zu Garben gesammelt, bei Freudengesang in die Speicher 
Aufsteigt, kräftige Kost den fleißigen Menschen verheißend!
	        
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