die Einfachheit des täglichen Lebens, der Kleidung, der Lagerstatt; und
zugleich die Freude an der weiten Welt, die noch der Neunziger rüstig
durchreiste. In Berlin floß sein Tag unter Aktenarbeit und Vorträgen,
Mahlzeiten, Ausfahrten ganz regelmäßig dahin; alle seine Gewohnheiten
liefen unverändert weiter. Da waren fein eigentlichstes Lebensgebiet
jene engen Zimmer im Erdgeschoß seines Palastes, das letzte zumal,
wo sich die tausend Zeichen persönlicher Erinnerung, Bilder und Statu¬
etten und allerlei kleine Geschenke seiner Angehörigen, Freunde und
Diener die Jahrzehnte hindurch aufhäuften und ihn immer dichter um¬
drängten, so daß in all diesem Gewirr kaum eben noch Raum blieb
für die Aktenmassen, für den Tisch, an dem sein Kanzler ihm gegen¬
über saß, für seinen eigenen Schreibtisch und das Pult mit dem hohen,
lehnenlosen Stuhle: er fand sich in allem zurecht und trennte sich von
keinem der altvertrauten Stücke. Hier im Palais umfing ihn die gleich¬
mäßige Macht der Jahre am stärksten; hier saß seine Gemahlin ihm
beim gemeinsamen Frühstücke gegenüber und übte jenen sonderbaren
Einfluß aus ihn aus, dessen psychologische Grundlage nach Bismarcks
Analyse aus Ritterlichkeit gegen die Frau. aus legitimistischer Verehrung
für die Fürstin und aus all den kleinen Wirkungen langer Gewöhnung
und täglicher Rücksicht aus Frieden und Behaglichkeit zusammengesetzt war.
Des Abends ging er gern in Schauspiel oder Oper und nahm darnach
an der feinen geistigen Geselligkeit wieder in den Gemächern der Kaiserin
teil. Auch die große Repräsentation fuhr er fort zu üben, in majestä¬
tischer Pracht und Würde, hier wie stets, wo er aus der Stille heraus¬
trat, voll untrüglichen Taktes, gütig und ritterlich; treu ist ihm auch
die Freude an Frauenanmut und -schönheit geblieben. Allsommerlich
zog er in sein geliebtes Babelsberg hinüber, das er geschaffen hatte und
bis in das kleinste hinein kannte; und weiter in die Bäder, Ems,
Gastein, Baden-Baden; in Coblenz traf er für ein Weilchen mit der
Kaiserin zusammen. Die Arbeit folgte ihm überallhin, wenn er auch
gern noch in Berlin das Wesentliche erledigte und sich dann harmlos
freute, einmal einen Tag „frei" zu bekommen.
Auch als Kaiser zeigte er in seiner täglichen Haltung immer in
erster Reihe den Offizier. Die Uniform legte er „im Dienste" niemals
ab, auch nicht am Schreibtisch und im Kreise der vertrautesten Räte;
wenn sich der Gutsherr von Babelsberg einmal die Bequemlichkeit einer
andern Tracht erlaubte, so ließ er sich doch nie bewegen, in dieser Tracht
irgendeines der Amtsgeschäfte zu vollziehen. Großes und Kleines an
ihm war aus einem Gusse. Er blickte mit den Augen des Kriegsherrn
in die Welt: als er 1877 das neue Gebäude der Reichsbank einweihte,
wandten sich die Worte seiner Ansprache ganz von selber auf den Wert
der volkswirtschaftlichen Blüte für die Armee. Er hat seine Truppen
noch aufgesucht, als ihm die Anstrengung der Besichtigungen längst