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19. Landschaft und Volkstum in Deutschland.
je mehr wir uns längs den rauschenden Alpenflüssen Iller, Lech und
Inn der Donau nähern. Da wohnt ein ackerbauendes, bierbrauendes
Volk in geschlossenen Siedelungen. Inmitten ihrer Felderflur liegen
45 ansehnliche Dörfer mit hohen, roten Ziegeldächern und manche alt¬
berühmte Stadt mit ehrwürdigen, hochragenden Gotteshäusern erinnert
an eine große Vergangenheit. Regensburg und Augsburg erzählen
schon durch ihren Namensklang, wie hier der Germane einst römische
Städte nach seiner Weise ausbaute. Die Blüte von Augsburg und
so dem münstergekrönten Ulm wurzelte in der vormaligen Bedeutung ‘
der süddeutschen Donauhochfläche für den Handel zwischen den Mittel¬
meerhäfen und dem viel früher als Ostdeutschland kulturmächtigen
rheinischen Westen. Augsburg verrät durch den modernen Aufschwung
seiner Webeindustrie den regeren Sinn für gewerblichen Fortschritt,
es der die Schwaben vom Lech westwärts überhaupt vor den behäbigeren
Bayern auszeichnet.
Uber alle Städte des Alpenvorlands aber kam München empor,
dieses glänzende Zyklopenauge auf der breiten Stirnfläche unseres
Südens, das lebensvolle Verkehrszentrum dieser Ebene, die stets
eo berufen war zwischen Nord und Süd, Ost und West zu vermitteln,
der große Getreidemarkt für die getreidearmen Alpengaue, die erste
Bierbraustadt der Welt.
Bloß das Donautal über Passau hinaus verbindet die süddeutsche
Hochfläche mit Österreich, eine Vielzahl bequemer Talwege hingegen, die
sb durch den Iura führen, verklammern sie mit dem übrigen Deutschland.
Sie führen uns ins südwestdeutsche Becken, ganz eingesponnen ins
süddeutsche Nheinsystem, mit dem Rheinstrom von Basel bis Mainz
in seiner tiefsten Rinne. Im Maingebiet wohnen die nach ihm be¬
nannten südöstlichsten Franken. Sie haben auf dem mageren Keuper-
70 sandboden inmitten des Regnitzlandes unter dem Schuh der noch heute
die Stadt auf steilem Felsen überragenden alten Kaiserburg ihr Nürnberg
gegründet, die einzige Stadt des Reichs, die durch das erfindungs¬
reiche Schaffen ihrer Bürger die Blüte seiner mannigfachen, durchaus
nicht bodenständigen Gewerbe seit dem Mittelalter bis zur Gegenwart
75 bewahrt hat. Sonst ist der Mainfranke werktätiger im Anbau seines
fruchtbaren Triasbodens. In der Bamberger Gegend bis gegen
Schweinfurt hin bilden Hopfenberge eine Landschaftszierde, im wär¬
meren Unterland, so um die alte Bischofsstadt Würzburg, Weinberge.
Im lieblichen Neckarland haben die Nachkommen scknväbischer Iuthungen
«o sdes allemannischen Volksstammesj ihre Heimat zu einer Stätte har¬
monischer Durchdringung von Anbau und Gewerbefleiß umgeschaffen.
Mehr gesondert nach den Vodenformen erweist sich Anbau und
Gewerbe auf der süddeutschen Rheinebene gegenüber ihren beider¬
seitigen Einschlußgebirgen. Jene hat sich von jeher den Namen „Deutsch-
85 lands Garten" verdient bei ihrem ertragreichen Boden, ihrem milden