Gott und sagen: Wie schön bist du! Und wenn ich Früchte trage,
zwitschern die Vögel: Wie gut bist du! Ich erfreue und erquicke und
nütze, — wollt ihr mir das verargen?"
Der Brombeerstrauch flüsterte dem Hopfen und dem Geißblatt
zu: „Schweigt jetzt! Die Bäume .achten uns hören. Heute abend,
wenn die erste Fledermaus fliegt, sprechen wir weiter." Damit ließ
er den Kirschbaum los und bog sich zurück, als ob er dem Baume
recht gäbe und sich in fein Schicksal ergeben hätte.
Die Sonne wandelte indessen lächelnd ihre Straße; sie hatte schon
die Höhe des blaukristallenen Himmelsgewölbes erreicht, und nun
ging es aus der andern Seite mit großen Schritten wieder hinunter.
Die Schatten, welche die Bäume vom Schänzle auf die goldgrüne Wiese
warfen, wurden länger und länger, bis Frau Sonne hinter den Bergen
verschwand und nur noch der Helle Saum ihres langen, strahlenden
Schleppgewandes zu sehen war. Dann sank ruhesam die Dämmerung
wie ein feiner Schleier auf das Tal herab, ein feuchter Dust stieg von
den Matten auf und schwebte ihr entgegen; hie und da blinkte im
Dorfe ein erleuchtetes Fenster aus. Mit der Dämmerung breitete
sich friedliche Ruhe über das Tal und über den Hain, die Vögel
schlüpften in ihre Nester, und die Bäume standen schlaftrunken still;
nur der lebhafte, kindliche Bach murmelte im Traume. Hin und
wieder schlug ein Hund im Dorfe an, und ein andrer antwortete. Im
nahen Walde schrie klagend ein Käuzchen. Zwei Dohlen hoben sich
von ihrem Neste in dem spitzen Turme der Dorfkirche, breiteten ihre
Schwingen aus und schwebten langsam über das dämmernde Tal und
bcu schweigenden Hain dem dunkeln Walde zu. Da huschte gespenstisch
leicht ein Schatten dicht am Kirschbaume her, die erste Fledermaus
war vorübergeflogen.
„Habt ihr den Nachtvogel gesehen?" fragte der Brombeerstrauch,
und das Geißblatt und der wilde Hopfen nickten. Das Geißblatt war
mit sich einig und brach zuerst das Schweigen. „Ich bin's müde,"
begann es, „hier im Schatten meinen Tust zu verschwenden und weiter
nichts zu tun als eine Laube zu bauen, wo der plumpe Müllerbursch
seine Pfeife rauchen kann. Ich will empor, und der Kirschbaum soll
mir dazu helfen; ich umschlinge ihn und klettere an ihm in die Höhe.
Habe ich nur erst seinen untersten Zweig erreicht, so kann ich mich
halten. Dann soll's schnell gehen, und schließlich bin ich oben und
der Baum'unteu! Aber der Anfang wird schwer sein, denn der Stamm
des Baumes ist blank und glatt, er bietet mir keinen .Halt."
„Nun, da bin ich ja recht am Platze," meinte der Brombeerstrauch.
„Daß der Baum mir verhaßt ist, brauche ich dir nicht zu wiederholen,
du weißt es. Laß mich zuerst heran; du kletterst dann auf meinen
Rücken und von da in den untersten Zweig, während ich dem Baum
Wacker, Lesebuch. A.** Vl. Teil. IG