Paul Heyse.
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Paul Heyse.
Gedichte. 4. Aufl. Berlin. 1889. W. Hertz.
152. Treueste Liebe.
1. Ein Bruder und eine Schwester,
Nichts Treueres kennt die Welt,
Kein Goldkettlein hält fester
Als eins am andern hält.
2. Zwei Liebste so oft sich scheiden,
Denn Untreu geht im Schwang;
Geschwister in Lust und Leiden
Sich halten ihr lebelang.
3. So treulich als wie beisammen
Der Mond und die Erde gehn.
Der ewigen Sterne Flammen
Alle Nacht bei einander stehn.
4. Die Engel im himmlischen Reigen
Frohlocken dem holden Bund,
Wenn Bruder und Schwester sich
neigen
Und küssen sich auf den Mund.
153. Eigenes Haus.
Die Welt zerstreut oder engt dich ein;
Mußt in dir selbst zu Hause sein.
Der wird von Unrast nicht verschont,
Der bei sich selbst zur Miete wohnt.
154. Richtet nicht.
Wer leben will und sich wohl befinden,
Kümmre sich nicht um des Nachbars Sünden.
155. Über ein Stündlein.
Dulde, gedulde dich sein!
Über ein Stündlein
Ist deine Kammer voll Sonne.
Über den First, wo die Glocken hangen.
5 Ist schon lange der Schein gegangen, .
Ging in Türmers Fenster ein.
Wer am nächsten dem Sturm der Glocken,
Einsam wohnt er, oft erschrocken.
Doch am frühsten tröstet ihn Sonnenschein.
10 Wer in tiefen Gassen gebaut;
Hütt' an Hüttlein lehnt sich traut.