Full text: (Prosa) (Teil 7 - 9 in 1 Bande, [Schülerband])

I 4 
es, von allen Ähnlichkeiten abgesehen, nicht schwer halten, in aber¬ 
hundert Einzelfällen solche Mischung der beiden Rassen nachzuweisen. Es 
ist wahr, die Deutschen brachten den Stolz des Siegers mit, ein Rasse¬ 
gefühl, das, auf geraume Zeit hin, eine Schranke gezogen haben mag; 
wir halten uns aber nichtsdestoweniger überzeugt, daß, noch ehe die 
Hohenzollern ins Land kamen, jedenfalls aber noch vor Mitte des 
t5. Jahrhunderts diese Unterschiede so gut wie verwischt waren. Sie 
mögen an einzelnen Orten länger bestanden haben, es mag Ortschaften 
geben, wo sich bis diesen Tag eine Abschließung findet, die aus jene 
alte Wendenabneigung zurückzuführen ist, im großen und ganzen aber 
liegt die Verschmelzung weit zurück. Wir wollen dabei andererseits 
gern zugeben, daß, wenn innerhalb der seitdem verflossenen Jahrhunderte 
die Generationen in den Dörfern, säend und erntend, in einem ewigen 
Wechsel und doch zugleich in einem ewigen Gleichmaß des Friedens 
auseinander gefolgt wären, diese Empfindungen und Äußerungen des 
Rassendünkels vielleicht fortgedauert hätten. Aber „die Rot gibt wunder¬ 
liche Schlafgesellen", und die Bewahrung alter Vorurteile wurde durch 
die Verhältnisse, durch Brand und Krieg, durch die Gemeinschaftlichkeit 
des Unglücks unmöglich gemacht. Das Aufeinander-angewiesen-sein riß 
jene Schranke nieder, die die Fülle selbstbewußten Glücks aufgerichtet 
hatte. Mehrfach ging der schwarze Tod durch das Land und entvölkerte 
die Dörfer; was der schwarze Tod nicht tat, das taten, in nie rasten¬ 
den Kriegen, die Pommern und Polen, und was die Pommern und 
Polen nicht taten, das taten die Hussiten. Im Barnim befinden sich 
vielleicht zwanzig oder dreißig Feldmarken, die Namen wie Wüste- 
Sieversdorf, Wüste-Gielsdorf, Wüste-Büsow usw. führen, Benennungen 
aus jener Epoche immer neuer Verödungen her. Die wüst gewordenen 
Dörfer, namentlich solche, wo einzelne bewohnte Häuser und Hütten 
stehen geblieben waren, wieder neu zu besetzen, war die Aufgabe der 
Landesoerwaltung, die in Brandenburg von jeher den friderizianischen 
Satz verfolgte: „Menschen; vor allem Menschen". Man freute sich 
jeden Zuzugs, ohne nach der Rassenabstammung zu fragen. 
Das deutsche Dorf, in dem vielleicht ein Fritze, ein Hansen, ein 
Dietrichs wohnte, war froh, einen Kroll, einen Roack, einen Posedin 
die wüst gewordenen Stätten einnehmen zu sehen, und ebenso die wen¬ 
dischen Dörfer empfingen den deutschen Zuzug mit Freude. Die Namens¬ 
verzeichnisse im Landbuch von 1375, wie die Urkunden überhaupt, lassen 
keinen Zweifel darüber.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.