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Wieder halblautes Gemurmel: „Es geht nicht. Ton hier aus nicht.
Müßte wer vom „Maiernigg“ fahren.“
„Und warum soll’s nicht gehen?“ ruft eine Stentorstimme dazwischen.
Zugleich stehen, wie aus dem Boden gestampft, sechs Männer in rotweißer
Sporttracht auf der Brücke.
„Warum soll’s nicht gehen? Da sind Boote genug. Wir fahren.“
Wackere Männer! Gott segne euere Mütter, euere Schwestern, euere
Bräute!
Entschlossen springen sie in ihre Boote und ringen sich durch das
Ungestüm der tobenden Wellen. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod.
Der See rast mit verdoppelter Wut, als zürne er, daß ihm seine Opfer ent¬
rissen werden sollen.
Am Ufer ist es still geworden wie im Grabe. Unwillkürlich falten
sich die Hände; wohl in allen Herzen, wenn nicht auf allen Lippen, war
damals das Gebet: „Gott schütze die Braven!“
Und er beschützt sie. Schon ist das erste Rettungsboot zur Stelle. Mit
vereinten Kräften gelingt es den Ruderern, drei Personen zu bergen. Das
nächste Boot bringt zwei weitere in Sicherheit, das letzte vier oder fünf,
anscheinend Kinder. Es ist ein langwieriges, höchst gefährliches Stück
Arbeit, bei dessen Anblick dem Zuschauer das Blut in den Adern stockt.
Jetzt, wo sich die dichtbesetzten Ruderboote Loretto nähern, während das
verlassene Schiff in den Wellen verschwindet, geht wie der Atem einer
Riesenbrust ein langgedehnter Seufzer der Erleichterung über die Espla¬
nade. Dann fangen die Frauen zu weinen und die Männer erst verhalten,
dann lauter und lauter, fröhlich, stürmisch zu reden an. Und wie die
Helden nach viertelstündiger, mühevoller Fahrt das Ufer gewonnen haben,
da löst sich ein Sturm der Begeisterung, wogegen das „Vivat Albatros“ von
vorhin ein Claquebeifall war. „Bravo! Nautilus! Edle Männer! Bravo!
Bravo!“, so dröhnt es und überdonnert den See und das Gewitter. Alles
will sie anstaunen, sie auf Händen tragen, man verlangt ihre Namen zu
wissen; ihnen gebührt ja die Ehre des Tages.
Sie sehen und hören nichts. Dort auf der Landungsbrücke stehen sie,
umrungen von den Geretteten und deren Anverwandten, die sie umarmen,
küssen, ihnen die Hände schütteln, sie wieder und wieder umarmen —
dort stehen sie, schweratmend, schweißbedeckt, aber stolzes Glück in den
Mienen — die Sieger!