Full text: [Abteilung 4 = Für Unter-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 4 = Für Unter-Tertia, [Schülerband])

58 HL Geschichtliche Darstellungen und Lebensbilder. 
Niemand bestellt bei ihnen den Acker, niemand berührt den Pflug. 
Ohne feste Wohnsitze, ohne Obdach, Gesetz und Sitte ziehen sie umher 
gleich Flüchtlingen. Ihre Karren dienen ihnen zum Wohnsitz. Dort 
weben die Weiber das geringe Gewand, dort schließen sie die Ehen und 
ziehen ihre Kinder auf. Auch während eines Waffenstillstandes sind 
sie treulos und unbeständig. Zeigt sich ihnen eine Hoffnung auf Ge¬ 
winn, so brechen sie los und folgen jeder Eingebung mit leidenschaft¬ 
lichem Eifer. Was ehrbar oder unehrbar ist, wissen sie sowenig wie 
die Tiere des Waldes. Voller Lüge und Tücke sind sie und ohne alle 
Religion. An einen Vertrag fühlen sie sich nicht gebunden. Unersätt¬ 
liche Goldgier beherrscht sie allein, und so veränderlich ist ihr Sinn, daß 
sie an demselben Tage, ohne daß sie gereizt sind, von einem Bundes- 
genosseir abfallen und, ohne daß sie jemand wiederzugewinnen suchte, zurück¬ 
kehren. Das ist das Wesen dieses behenden, wilden Menschenschlages." 
19. Die alten Germanen. 
Nach August Sach. 
Zwischen Weichsel, Oder und Elbe sind die Llrsitze der Germanen 
zu suchen, seitdem sie sich von ihren arischen Stammesgenoffen gelöst 
hatten. Hier, in diesen weiten Ebenen an der Ostsee, war es, wo sie sich 
zu jenem eigenartigen Volke heranbildeten, von dem die Römer be¬ 
richten. An den Gestaden der Nordsee fand sie schon der Reisende 
Pytheas aus Massilia, als er zur Zeit Alexanders des Großen die 
nördlichen Meere befuhr. Eben dahin an die Elbe und nicht auf die 
sogenannte cimbrische Halbinsel weisen auch die neueren Untersuchungen 
über die Heimat der Cimbern, die den germanischen Namen den Römern 
zuerst furchtbar gemacht haben. 
Als ein Volk von besonderer Bedeutung erscheinen die Germanen 
dem Geschichtschreiber Tacitus, der den Römern eine ausführliche 
Schilderung ihrer Lebensverhältnisse gab, als ein Volk eigenster Natur, 
von allen anderen, die der Welt des Altertums angehörten, trotz ur¬ 
sprünglicher Stammesgemeinschaft verschieden. Was die Römer längst 
hinter sich hatten, was den Späteren ganz aus dem Bewußtsein ge¬ 
kommen und unverständlich geworden war, fanden sie bei den Germanen 
in ursprünglicher Frische wieder: ein Volk von überströmender Kraft, 
hart und roh in seinem Wesen, aber rein und edel, die Zustände einfach 
und natürlich, nichts abgeschlossen und ausgelebt. 
Das Haus der Germanen, mit dem sie nach Westen gewandert 
waren, war ein leichter Holzbau gewesen, der es ermöglichte, es aus-
	        
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