Das britische Reich.
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her eine gewisse Freiheit, auf die sie sehr eifersüchtig sind.
Die Rechte des Königs sind: daß er wegen seiner Handlungen
nie verantwortlich ist, wohl aber seine Minister, wenn sie den
Landesgcsctzen entgegenhandeln; daß er Krieg erklären und
Bündnisse und Frieden schließen kann; daß er über die Voll¬
ziehung der Gesetze wacht und die Ucbcrtrcter straft; daß er
die höheren Staatsbeamten und Militairs ernennt; daß er
den Adel ertheilt; daß er Verbrecher begnadigen darf, und daß
kein Gesetz eher Gültigkeit hat, bis er es bestätigt, was er
fast nie unterlaßt, um nicht die Liebe des Volks zu verlieren.
Der König ist eingeschränkt durch die Gesetze, die er
nicht willkürlich abändern kann und durch das Parlament.
Das letztere besteht aus dem Ober hause und dem Unter-
hause. Zum Oberhause gehören die Häupter der adeligen
Familien, die Erzbischöfe und Bischöfe, und haben den Titel
Lord. Auch schicken die Schotten und Irländer einige Lords
ins Parlament. Der König ernennt die Lords; hat er aber
einmal Jemanden zum Lord erhoben, so erbt die Würde in
der Familie fort, so daß immer das Familicnhaupt sie beklei¬
det. Würde und Reichthum des Adels gehen in England nur
auf den ältesten Sohn über. Daher geschieht cs oft, daß der
älteste Sohn eines Lords ein steinreicher und sehr angesehener
Mann ist, während die anderen Söhne arm und ohne Be¬
deutung sind. Stirbt nun der älteste Sohn ohne Kinder, so
wird der Zweite, der vielleicht bis dahin ein armer Landpre-
diger oder noch weniger war, plötzlich ein Lord und Herr
großer Güter. Das Unterhaus oder das Haus der
Gemeinen. Es besteht aus etwas mehr als 650 Abgeord¬
neten des Bütgerstandes, meist aus England, einige aber auch
aus Schottland und Irland. Die Wählenden sind alle die,
welche von ihrem Vermögen jährlich eine bestimmte Einnahme
haben, und um gewählt zu werden, muß man wenigstens ein
Vermögen haben, das jährlich 3000 Rthlr. abwirft. Das
ist auch nöthig, denn die Deputirten bekommen keinen Gehalt,
und doch versäumen sie, während sie in London dem Parla¬
mente beiwohnen, ihre übrigen Geschäfte. Der König hat
das Recht, das Parlament zusammenzurufen. Dann gehen
die Wahlen vor sich, wobei es gewöhnlich entsetzlich unruhig