Aus Klopstocks „Messias"
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stehen. „Me endlich, seit die Herrlichkeit Roms und seine tönende
Sprache unterging, war der stolze hexametrische Rhythmus in
einer neuen versucht worden und erklungen wie in der deutschen."
Klopstock war Christ und Deutscher (dies drückt seiner Gedichte
hohe Begeisterung aus), tugendhaft, heiter, schwelgte im Anblicke
der Natur, von froher Jugend gerne umringt; die sich selbst die
gute nennende Gesellschaft sah ihn selten. Als Greis freute er
sich noch des Lebens; dem Tugendhaften blüht immer Genuß.
Ein Begräbnis, feierlich, wie das seinige, hatte — wenigstens seit
der Minnesänger Zeit — kein deutscher Dichter. Klopstocks Toten¬
feier begingen mehrere Städte.
Aus „Walhallas Genossen." Ludwig I. König von Bayern.
56. Aus Klopstocks „Messias".
Maria und Portia.
Unterdes kam die Mutter des liebsten unter den Söhnen,
Nach durchwachter einsamer Nacht, mit dem Schauer der Dämm¬
rung
Nach Jerusalem, fand ihn im Tempel nicht, wo sie ihn suchte,
Fand den göttlichen Sohn nicht. Versenkt in ängstliches Stau¬
nen,
e Höret sie von den Palästen der Römer herüber ein dumpfes
Tiefaufsteigend Getöse. Sie ging dem Getös entgegen,
Ohne daran zu denken, woher es entstünde. Nun geht sie
Unter dem Volke, das rings durch Jerusalem gegen den Richtstuhl
Drang. Beklommen, allein noch ruhig wegen des Aufruhrs
lo Ursach, naht sie dem Richtstuhl sich. Hier sieht sie Lebbäus.
Doch kaum sah Lebbäus die Mutter, da floh er. Ach, flieht er?
Warum wendet er sich? So dachte Maria. Die Vorsicht
Zückt' auf sie mit diesem Gedanken das Schwert, das bestimmt war
Uhr durch die Seele zu gehn. Maria erhub sich und sahe
Jesus. Ihr Engel, als er die Todesblässe, mit der sie
Bleich ward, als er die starrenden Augen der Mutter erblickte,
Wandt' er sein Antlitz. Doch sie, da ihrem Auge das Dunkel,
Ihrem Ohr die Betäubung entsank, ging vorwärts und bebte
Näher zum Richtstuhl hin und sah noch einmal den Sohn stehn,
20 Sah die mächtigen Kläger um ihn und den richtenden Römer,