Full text: Prosaband (Teil 9 der Ausgabe A, Teil 6 der Ausgabe B, [Schülerband])

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aus der Fremde. — Das find Bilder aus dem niedergaliläischen Rcker- 
bauleben; droben in Dbergaliläa, an den wilden Rbhängen der höheren 
Berge hat der Erzähler auch dem Hirtenleben zugesehen, hat gesehen, 
wie die Hirten am Rbend ihre Herden in pferche zusammentrieben 
und jeder die seinen kannte und von ihnen gekannt war,' wie ein guter 
Hirt seine hundert Schafe aus den Bergen zusammenhielt, und wenn 
er deren eines verloren, ihm suchend nachging bis in die äußerste 
Wildnis, um das gefundene liebreich auf seiner Rchsel zurückzutragen; 
oder wie er dem Räuber, dem Wolf, kühn entgegenging, sein Leben 
für seine Herde zu wagen, wiederum andere Eindrücke bringen die 
große Handelsstraße nach Damaskus, der schöne, blaue, bergumrandete 
See Genezareth und die verkehrsreichen Städte daran. Mit seinem 
reichbeladenen Lasttier zieht dort der Kaufmann ins ferne Land, der 
rührige, rastlose Mensch,' er geht auf gute perlen aus — all sein 
mitgenommenes Gut wird er hingeben, wenn er eine köstliche findet. 
Und hier am Rande des Sees sitzen die Fischer,' sie haben ihre Boote 
aufs Land gezogen und lesen nun ihr großes Rundnetz aus,' die guten 
Fische sammeln sie in ihre Gefäße, die faulen werfen sie weg. wir 
treten ein in die Stabt; wir kommen aus den Markt,' da stehen die 
Tagelöhner von der Frühe an, vielleicht noch mittags, noch um die 
neunte Stunde, und warten, daß ein reicher Mann komme und sie 
dinge,' da spielen die Rinder und streiten sich untereinander, was es 
werden soll: jetzt wollen sie flöten, etwas Lustiges, eine Hochzeit spielen; 
jetzt wollen sie wehklagen, einen Trauerzug aufführen. Und am Übend, 
wenn des Tages Last und Hitze getragen ist, die Urbeiter vom Felde 
heimkommen, stehen die Frauen plaudernd vor ihren Türen; eine 
Nachbarin erzählt der anderen fröhlich, wie sie den einen ihrer er¬ 
sparten zehn Denare, den sie verloren, und um den sie das ganze Haus 
umgekehrt, glücklich wiedergefunden. Dort aber strahlt ein festlich 
erleuchtetes Haus; die Tür tut sich auf und geschmückte Jungfrauen 
ziehen daraus hervor mit brennenden Lampen; sie wollen einen Bräu¬ 
tigam empfangen, der seine Braut, ihre Freundin, heimholen kommt. 
Sie wollen nicht enden, die frischen, einfach schönen, scharf gezeichneten 
Lebensbilder, die er nachmals als ein guter haushalter, wie er selbst 
sagt, aus seinem alten Vorrat, aus seinen Jugenderinnerungen hervor¬ 
holt, um das Neue, die himmelreichslehre, damit in Verbindung zu 
bringen und dadurch anschaulich zu machen. Sie bezeugen uns, daß 
nichts Menschliches ihm fremd geblieben ist, daß er ein offenes Rüge 
und weites herz gehabt hat für das Kleinste wie für das Größte, 
was um ihn her vorging, von dem Senfkörnchen im Garten und der 
Rrbeit der brotsäuernden Hausfrau bis zu der Treue eines Vater¬ 
herzens, das nicht anders kann als vor Erbarmen schmelzen beim Rn- 
blick des verlorenen Sohnes. Und doch hat ihn das alles nicht als 
Irdisches, Natürlich-Menschliches hingenommen; erst als Sinnbild eines
	        
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