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zog und ihn mit seinem Gott zusammenschloß, war auch die predigt
von der Zusammengehörigkeit und Brüderlichkeit.
Dem großen Heidenapostel hat das klar vor der Seele gestanden'
in seinen kleinen Gemeinden, in denen jeder die Last des anderen trug,
sah er im Geiste bereits eine neue Menschheit, und in dem Cpheser-
brief hat er dem einen jubelnd freudigen Busdruck gegeben. 3m wesen¬
losen Scheine hinter diesen Gemeinden lagen die Gegensätze van Juden
und Heiden, Barbaren und Griechen, vornehm und gering, reich und
arm. Line neue Menschheit war vorhanden. Der Bpostel schaute
sie als den Leib Christi an, in welchem jedes Glied dem andern dient
und jedes an seiner Stelle notwendig ist. In Stunden hoher Begeisterung
nahm er im Blick auf diese Gemeinden, trotz ihrer Kümmerlichkeiten
und Schwächen, die Entwicklung von Jahrtausenden vorweg.
Adolf harnack.
3. Soziale Arbeit — eine Lebensaufgabe unserer Zeit.
In einem der schönsten Chöre der Bntigone wird die Herrlichkeit
des Menschen und seine Herrschaft über die Llemente mit mächtigen
Worten gepriesen:-
vieles Gewalt'ge lebt, und nichts
Ist gewaltiger als der Mensch,
Venn selbst über die dunkele
Meerflut zieht er, vom Süd umstürmt,
hinwandelnd zwischen den wogen
Die rings umtoste Bahn.
Und nun wird in gewaltigen Bildern weiter geschildert, wie der Mensch
die Natur in seinen Dienst zwingt, wie seine pflüge die ewige Erde
durchwühlen, wie er den mähnigen Nacken des Rosses und den freien
Stier der Berghöhe unter sein Joch beugt, wie er den Negenpfeilen
des Zeus und dem ungastlichen Frost zu entfliehen weiß und nichts
Zukünftiges ihn ratlos trifft.
was den antiken Dichter mit Staunen vor dev Macht des Menschen¬
geistes erfüllte, erscheint uns heute nicht mehr wunderbar. Über unsere
Zeit hat den Menschen zu so neuen, so viel mächtigeren Leistungen ge¬
führt, hat ihn die Natur in so viel gewaltigerem Maße beherrschen ge¬
lehrt, daß wir wiederum staunend vor seinen Werken stehen. Cs klingt
wie eine Fortsetzung des antiken Chors, wenn Geibel die Herrschaft der
neuen Zeit über die Natur und die Elemente verherrlicht:
In tausend Schmieden bei der Essen Brande
Gießt sie das Crz und schweißt in Cisenbande
Die weiten Länder, die ihr untertan,-
vom müden Saumroß, das sich wund getragen,
Nimmt sie das Joch und schirrt vor ihren wagen
Den Dampf, den wilden Riesen, an.