Full text: Poesie (A, [Schülerband])

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Wie wenn auf einmal in die Kreise 
der Freude, mit Gigantenschritt, 
geheimnisvoll, nach Geisterweise, 
ein ungeheures Schicksal tritt: 
da beugt sich jede Erdengröße 
dem Fremdling aus der andern Welt, 
des Jubels nichtiges Getöse 
verstummt, und jede Larve fällt, 
und vor der Wahrheit mächtigem 
Siege 
verschwindet jedes Werk der Lüge. 
So rafft von jeder eiteln Kürde, 
wenn des Gesanges Kuf erschallt, 
der Mensch sich aus zur Geister¬ 
würde 
und tritt in heilige Gewalt,- 
den hohen Göttern ist er eigen, 
ihm darf nichts Irdisches sich nahn, 
und jede andereMachtmußschweigen, 
und kein Verhängnis fällt ihn an: 
es schwinden jedes Kummers Falten, 
solang' des Liedes Zauber walten, s 
Und wie nach hoffnungslosem 
Sehnen, 
nach langer Trennung bitterm 
Schmerz 
ein Kind mit heißen Ueuetränen 10 
sich stürzt an seiner Mutter herz: 
so führt zu seiner Jugend Hütten, 
zu seiner Unschuld reinem Glück 
vom fernen Kusland fremder Sitten 
den Flüchtling der Gesang zurück, 15 
in der Natur getreuen Krmen 
öon kalten Kegeln zu erwärmen. 
80. Die Ulage der Cere§. 
Ist der holde Lenz erschienen? 
hat die Erde sich verjüngt? 
Die besonnten Hügel grünen, 
und des Eises Kinde springt. 
Ñus der Strome blauem Spiegel 
lacht der unbewölkte Zeus, 
milder wehen Zephyrs Flügel, 
ñugen treibt das junge Keis. 
In dem Hain erwachen Lieder, 
und die Greade spricht: 
Deine Klumen kehren wieder, 
deine Tochter kehret nicht. 
Ñch, wie lang ist's daß ich walle 
suchend durch der Erde Flur! 
Titan, deine Strahlen alle 
sandt' ich nach der teuren Spur; 
keiner hat mir noch verkündet 
von dem lieben Ñngesicht, 
und der Tag, der alles findet, 
die verlorne fand er nicht. 20 
hast du, Zeus, sie mir entrissen? 
hat, von ihrem Keiz gerührt, 
zu des Grkus schwarzen Flüssen 
Pluto sie hinabgeführt? 
Wer wird nach dem düstern Strande 25 
meines Grames Kote sein? 
Ewig stoßt der Kahn vom Lande, 
doch nur Schatten nimmt er ein. 
Jedem sel'gen Kug' verschlossen 
bleibt das nächtliche Gefild, 30 
und solang' der Styx geflossen, 
trug er kein lebendig Kild. 
Nieder führen tausend Steige, 
keiner führt zum Tag zurück; 
ihre Tränen bringt kein Zeuge 35 
vor der bangen Mutter Klick.
	        
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