Full text: Für Klasse IV der höheren Knabenschulen, Klasse VII der höheren Mädchenschulen (Band 5, [Schülerband])

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und hohen Mauergänge zog und die Helle Sonne hineinschien auf 
die Türme und Paläste und der Stephansturm frei in die Himmels¬ 
bläue aufragte — da war vergessen, was die gute alte Frau 
gesagt hatte. — Ich bleibe in Wien und gehe zu meinem 
Kaiser. 
21. Rasch wandelte ich an allem vorüber und fragte nach 
dem Kaiserhaus. Nach manchem Hin- und Hersuchen stand ich auf 
dem Burgplatz und sah vor mir das gelblichgraue Gebäude mit 
den unzähligen Fenstern. Da drinnen wohnt er? Wenn er nur 
daheim ist und etwa nicht wieder in allen Ländern herumzieht wie 
ein Handwerksbursche! Und wenn er daheim ist? Was reden? 
Frisch sagen, wie es ihm geht, was die Frau Mutter macht, und 
daß er doch so gut sein und keinen Krieg anheben sollt, und der 
Schmiedhofer Hansjörgel wär jetzt auch bei den Soldaten, und 
wenn sie den niederschießen, so hätten sie im ganzen Alpel 
keinen, der das Metzgern verstünd. — Für übel halten kunnt 
er's nicht. 
22. Ich ging durch das dreifache Tor. Da war ein großer 
Platz mitten im Kaiserhaus, und da standen erschrecklich viele 
Soldaten mit aufgepflanzten Gewehren. Dort, wo ich durchgehen 
zu müssen glaubte, standen zwei baumstarke Männer mit weißen 
Riemen über der Brust und ungeheure schwarze Pelzhauben auf 
den Köpfen. Zwei bärtige Kerle mit finsterem Gesicht, mit Säbel 
und Gewehr, just zum Dreinfahren. Ich wollte schier nicht zwischen 
ihnen durch, doch als ich sah, daß auch andere unbehelligt aus- und 
eingingen, wagte ich's, und die beiden Torsteher blieben starr wie 
von Holz. 
23. Ich ging über breite Steintreppen empor, ging schnee¬ 
weiße Gänge entlang, so daß meine Schritte in den Mauern wider¬ 
hallten. Da waren hohe, braune und vergoldete Flügeltüren der 
Reihe nach. — Ja, wenn man nur wüßte, welches des Kaisers 
Zimmer! 
24. „Was machst du da. Junge?" fragte ein heranschreitender 
Herr mit Glasaugen und einer Stirn, die fast bis zum Scheitel 
hinaufging.
	        
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