195
200
205
210
215
220
225
182
und hohen Mauergänge zog und die Helle Sonne hineinschien auf
die Türme und Paläste und der Stephansturm frei in die Himmels¬
bläue aufragte — da war vergessen, was die gute alte Frau
gesagt hatte. — Ich bleibe in Wien und gehe zu meinem
Kaiser.
21. Rasch wandelte ich an allem vorüber und fragte nach
dem Kaiserhaus. Nach manchem Hin- und Hersuchen stand ich auf
dem Burgplatz und sah vor mir das gelblichgraue Gebäude mit
den unzähligen Fenstern. Da drinnen wohnt er? Wenn er nur
daheim ist und etwa nicht wieder in allen Ländern herumzieht wie
ein Handwerksbursche! Und wenn er daheim ist? Was reden?
Frisch sagen, wie es ihm geht, was die Frau Mutter macht, und
daß er doch so gut sein und keinen Krieg anheben sollt, und der
Schmiedhofer Hansjörgel wär jetzt auch bei den Soldaten, und
wenn sie den niederschießen, so hätten sie im ganzen Alpel
keinen, der das Metzgern verstünd. — Für übel halten kunnt
er's nicht.
22. Ich ging durch das dreifache Tor. Da war ein großer
Platz mitten im Kaiserhaus, und da standen erschrecklich viele
Soldaten mit aufgepflanzten Gewehren. Dort, wo ich durchgehen
zu müssen glaubte, standen zwei baumstarke Männer mit weißen
Riemen über der Brust und ungeheure schwarze Pelzhauben auf
den Köpfen. Zwei bärtige Kerle mit finsterem Gesicht, mit Säbel
und Gewehr, just zum Dreinfahren. Ich wollte schier nicht zwischen
ihnen durch, doch als ich sah, daß auch andere unbehelligt aus- und
eingingen, wagte ich's, und die beiden Torsteher blieben starr wie
von Holz.
23. Ich ging über breite Steintreppen empor, ging schnee¬
weiße Gänge entlang, so daß meine Schritte in den Mauern wider¬
hallten. Da waren hohe, braune und vergoldete Flügeltüren der
Reihe nach. — Ja, wenn man nur wüßte, welches des Kaisers
Zimmer!
24. „Was machst du da. Junge?" fragte ein heranschreitender
Herr mit Glasaugen und einer Stirn, die fast bis zum Scheitel
hinaufging.