Full text: [Sechster Teil = 4. Klasse] (Sechster Teil = 4. Klasse)

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entflohen; aber es schmerzte mich, daß Hildgund allein zurückbleiben 
sollte.“ — Darauf verabredete er mit ihr, wie sie sich zur Reise rüsten 
wollten. Aus des Königs Schatz sollte sie Helm und Panzerhemd und 
zwei Schreine voll goldener Armringe nehmen, auch von den Schmieden 
Angeln fertigen lassen, damit er unterwegs die nötige Reisezehrung 
beschaffe. Als alles vorbereitet war, lud Walthari den König und 
sein Gefolge zu einem üppigen Gastmahl und ließ die Schenken 
so fleißig ihres Amtes warten, daß bald die Beredten zu stammeln, 
die Starken zu taumeln begannen. Tief in die Nacht hinein hielt 
Walthari seine Gäste zurück, bis alle, von Wein. und Schlaf belastet, 
in den Gängen umherlagen. Dann zog er aus dem Stalle das beste 
Roß und hängte ihm die Goldschreine und Speisekörbe über. Sich 
selber bewaffnete er bis an die Zähne und machte sich mit Hildgund 
auf den Weg. Die Jungfrau führte das Roß und hielt die Angelgerte 
im Arm; der Held ging kampfbereit nebenher. So flohen sie durch 
die Nacht. 
In der Hofburg der Hunnen war es stille bis zum Mittag; endlich 
erwachten die Zecher und suchten nach Walthari, um ihm für das Ge— 
lage zu danken. Attila trat aus seinem Schlafgemach, mit beiden Händen 
seinen Kopf haltend, und rief nach Walthari, um ihm seine Schmerzen 
zu klagen. Aber Ospirin entdeckte die Abwesenheit Hildgunds, die ihr 
sonst die Kleider zu bringen pflegte, und schrie Wehe über das gestrige 
Mahl. Der König zerriß im Zorne sein prächtiges Gewand, verschmähte 
Trank und Speise und lag schlaflos die ganze Nacht. Er verhieß dem, 
der ihm Walthari gebunden zurückführte, er wolle ihn bis zum Scheitel 
mit aufgehäuftem Gold einhüllen; allein niemand lüstete nach diesem 
Schatze. 
Die Flüchtlinge wanderten unterdessen bei Nacht und zogen sich bei 
Tage in die unwegsamen Waldgebirge und in dichtes Gebüsch. Walthari 
fing Vögel mit der Leimrute, und wo er an Flüsse kam, nützte er die 
Angel. Am vierzigsten Tage gegen Abend kamen sie an den Rhein, wo 
er der Königsstadt Worms zufließt. Den Fährmann, der sie übersetzte, 
lohnte Walthari mit Fischen, die er anderwärts gefangen hatte. Diese 
brachte der Mann dem Koche des Königs in die Stadt, und so kamen 
sie auf des Königs Tafel. Da die Fische in der Gegend unbekannt 
waren, forschte Gunthari den Koch und den Fährmann darüber aus und 
vernahm, daß gestern Abend ein gewappneter Fremdling mit einer 
glänzenden Jungfrau über den Rhein gefahren sei; in den Schreinen, 
welche sein Roß getragen, habe es geklungen, als ob Gold und Edel— 
steine zusammenstießen. „Freut euch mit mir!“ rief Hagano, der am 
Tische saß, „mein Geselle Walthari kehrt heim von den Hunnen!“ — 
Aber Gunthari stieß mit dem Fuße den Tisch um und rief: „Freut 
euch mit mir! Der Schatz, den Gibicho an den König des Ostens
	        
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