Full text: Deutsches Lesebuch mit Bildern für evangelische Volksschulen

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weder mit den Händen werden die dicht hängenden Beeren abge— 
pflückt, oder man streift sie mit grossen Holzkämmen oder kleinen 
Rechen in die flachen Körbe. 
3. Kehren die Kinder am Mittag oder Abend mit schwarzblau 
5 gefärbten Händen und schwarzem Munde, aber auch mit vollen Körben 
nach Hause zurück, so lohnt sie ein lobendes Wort des Vaters oder 
der Mutter. Da ist wohl kein Haus in der ganzen Stadt, das nicht 
von dem Heidelbeermann, der langsam durch die Strassen geht und 
seine Herrlichkeiten laut ausruft, wenigstens einmal sich ein Gericht 
10 Beeren verschaffte. Die schwarzen Zähne und Lippen, bei den 
Kleinen auch wohl das Kinn und die Nase, verraten es genugsam, 
wie trefflich die süsse Kost gemundet hat. Viele Beeren werden ge— 
trocknet für den Winter verwahrt. Dort an der Stralsenecke wohnt 
ein Kaufmann, der in jedem Sommer grosse Mengen von Heidelbeeren 
15 aufkauft, einen Teil auspresst, andeère einmacht und wieder andere ge- 
trocknet versendet. Von ihm erhält das fleissige Kind aus dem Wald- 
dorf manches blanke Geldstück, wenn es mit seinem gefüllten Körb- 
chen anklopft. Ist der Sommer zu Ende und der Vater zählt den 
Erlõs, siehe, da sind aus den kleinen unansehnlichen Beeren mehrere 
20 Mark geworden; die geben für den Winter ein warmes Wams und 
gute Schuhe, die wärmer halten als andere; denn das Rind hat sie 
sich selbst verdient. 
Herm. Wagner. 
365. Lebensgeschichte des Rehs. 
1. Im schönen Maimonat, wenn die Singvögel im Walde ihre 
25 schönsten Lieder singen und das junge Gras und Kraut am saftigsten 
sprießt, dann sucht das alte Reh ein stilles, verstecktes Plätzchen, ent— 
weder ein verborgenes Dickicht im Buschwerk oder ein Fleckchen, von 
hohem Grase überwuchert. Dort erhält es ein oder zwei Junge, die so 
klein sind wie junge Ziegenlämmchen und gelbbraun aussehen, mit hellen 
30 Flecken und Streifen gezeichnet. 
Die Rehkälbchen genießen anfänglich nichts weiter als Milch. Sie 
werden vom alten Reh gesäugt wie das Kalb von der Kuh. Während 
der ersten Tage müssen die Kleinen im Verstecke still liegen bleiben. 
Dann aber folgen sie ihrer Mutter bei den Spaziergängen in den Wald, 
ihre dünnen Beine werden kräftiger und flinker, und nach wenigen Wochen 
fangen sie auch an, im Walde zu botanisieren. Sie suchen sich die 
zartesten Grasspitzchen heraus oder die weichsten Blätter der Kräuter 
und verspeisen sie.
	        
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