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Steine nennt man Wächter. Große, behauene Steine bilden innerhalb
jenes Rechtecks die Grabkammer; die hierzu verwendeten Steine sind meist
stärker als die Ringsteine, weil sie als Träger dienen für die sehr großen
und schweren Decksteine. Der rechteckige Raum, den die Träger und die
Decksteine einschließen, gilt als die Ruhestätte hier bestatteter Toten.
Die Leichen wurden in frühester Zeit nicht verbrannt; daher findet man
in den Steinkammern stets menschliche Gerippe, meist auch Thongefäße.
Steinhämmer aus Granit, Steinmeißel, Lanzenspitzen aus Feuerstein, die
in den Grabkammern gefunden werden, bezeugen das hohe Alter dieser
10 Grabmäler. Man kannte zu jener Zeit die Bearbeitung der Metalle
noch nicht; daraus erklären sich die Funde an Steingeräten. Die Größe
der Hünengräber ist sehr verschieden; demnach schwankt die Zahl der
Ringsteine zwischen 12 und 72. Das gut erhaltene Grab bei Dreben⸗
stedt ist über 40 m lang und über 6m breit. Der Deckstein des Grabes
bei Stöckheim mißt 4,7 m in der Länge und 83, Um in der Breite und
ist über 500 Centner schwer.
3. Von den Hünenbetten unterscheiden sich die sogenannten Kegel—
gräber durch geringere Größe. Sie sind hügelartig gewölbt und ent—
stammen einem spätern Zeitalter, wo man die Leichen verbrannte. Als
Inhalt findet man meist Urnen mit Knochenresten, oft auch Bronzegeräte,
wie Waffen, Ringe u. dergl.
4. Während man die Kegelgräber der vorchristlichen Zeit zurechnet,
deuten die Urnen der Flachgräber auf eine spätere Zeit hin. Man hat
die Fundorte letzterer Art auch Wendenkirchhöfe genannt, weil man sie
für Begräbnisplätze der Wenden ansah. Das ist aber nicht richtig; alle
drei Arten von Hünengräbern sind als Begräbnisstätten rein deutscher
Volksstämme anzusehen. Außer Aschenresten enthalten die Urnen der
Flachgräber oft noch kleinere Eisengeräte. Man unterscheidet daher in
der Entwicklungsgeschichte der Menschheit eine Steinzeit, eine Bronzezeit
30 und eine Eisenzeit.
5. Wenn man bedenkt, daß im Zeitalter der Steingeräte die Hilfs—
mittel zur Bewegung schwerer Lasten noch wenig entwickelt waren, so
muß man staunen über die Arbeit, die unsre Altvordern bei Errichtung
der Steinbetten geleistet haben. Die Steinmasse des Grabes bei Dreben—
stedt schätzt man auf 25000 Centner; es würden also 125 Eisenbahn—
wagen nötig sein, um die Last fortzuschaffen! Eine Sage erzählt, wie
man sich die Überwindung solcher Schwierigkeiten dachte: Unter dem
großen Decksteine des Stöckheimer Grabes schläft der Riese Goliath. Er
verließ einst sein bisheriges Grab, um sich eine andre Ruhestätte zu
suchen; bei Stöckheim fand er sie. Seinen goldenen Sarg trug er unter
dem Arme, den Deckstein seines bisherigen Grabes an einer goldenen
Kette auf dem Rücken. Von der Kette drückte sich ein Streifen tief in
den Stein ein. Jede Neujahrsnacht kommt der Riese hervor und schlägt
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