Full text: Lesebuch für die 5., 6. und 7. Klasse der pfälzischen Volksschulen

— 
— — 
—— —— — —— 
— — 
Der Nachtwächter aber ging hinüber zum Schulmeister. Mit 
dem Knopfe der Hellebarde stieß er an den Laden: ZIch bin's, 
macht auf!“ — 
„Wo brennt's?“ rief der Schulmeister und öffnete den Laden. 
Da legte der Nachtwächter seine Arme dem Manne um den Kopf, 
neigte das Antlitz ihm an die Wange und flüsterte ihm ein Wort ins 
Ohr. Der Schulmeister zuckte zusammen, dann weinten beide Männer 
Brust an Brust. 
„Ich muß läuten, laß mich los!“ sagte endlich der Schulmeister. 
Aber sein Geselle war seiner nicht mehr mächtig. Gewaltsam machte 
sich der Greis frei, weckte seine Söhne und eilte zur Kirche hinauf, 
während der Nachtwächter sich wieder zum Pfarrhaus wandte. 
Seit vierzehn Jahren waren die Glocken stumm. Zum letzten— 
mal hatten sie geläutet zum Weihnachtsfest nach der Nördlinger 
Schlacht. Dann schwiegen sie, daß nicht die Mordbuben herbeigelockt 
würden. 
Und jetzt und jetzt schlugen sie wieder zusammen. 
„Was macht so?“ fragten die Kinder. 
„Es läutet,“ sagten die Alten. „Steht auf, Kinder, 's ist Fried' 
im Land!“ — 
„Wer ist der Fried'?“ fragten die Kinder, „nimmt uns der 
Fried' die Geiß weg und schlägt er uns den Vater blutig?“ — 
„Schweigt, Kinder, und zieht euch an und betet!“ 
„Tut der Fried' so sausen?“ fragten die Kinder furchtsam. Aber 
die Mutter gab ihnen fürder keine Antwort. Da fingen sie an zu 
weinen und verkrochen sich, ein jedes in sein bekanntes Verstecklein, und 
lauschten angstvoll dem fremden Getön. 
übel klangen die Glocken. Die große war zersprungen. Gleich 
am Anfang des Krieges hatten die Mansfelder sie und die mittlere, 
die nicht mehr da war, zum Turme hinabgeworfen und mitgeschleppt. 
Die große fand man später im Walde. Aber auch so klang es den Alten 
wie Himmelsgeläute. 
Und doch war keine rechte Freude. Das Andenken an das 
erlittene Elend stand grausig auf. Jeder gedachte seines Verlustes und 
die vielen Wunden der Seele bluteten alle zusammen. Starr sahen 
sich die Leute an, verstört standen sie auf der Gasse umher. Aber 
niemand zweifelte an der Wahrheit der Botschaft. 
Von zwei Männern gestützt, kam der alte Pfarrer die Straße 
herab. „Die Lore geht zum Nachtmahl,“ sagten sich die Leute. Viele 
schlossen sich an. Der Zug ging nach dem letzten Hause. 
Der Pfarrer trat mit dem Nachtwächter und dem ältesten Sohn 
des Schulmeisters in die Stube der Sterbenden. Ein Span wurde 
angezündet und an der Wand befestigt. Der Sigrist bereitete das
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.