Full text: Für die Mittel- und Oberstufe evangelischer Schulen (Teil 2, [Schülerband])

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von dem ihrigen gegeben. O, das schmeckt so sütz und zerschmilzt 
einem im Munde!" — „Nun," sagte der Vater, „du hast zwar nicht 
sehr klug, aber doch natürlich und nach kindlicher Weise gehandelt. 
Für deine Klugheit ist auch noch Raum genug im Leben." 
Da begann der zweite Sohn: „Ich habe den Stein, den der 
kleine Bruder fortwarf, aufgehoben und aufgeklopft. Es war ein 
Kern darin, der schmeckte so süsz wie eine Nusz. Aber meinen Pfirsich 
habe ich verkauft und so viel Geld dafür erhalten, dah ich, wenn ich 
nach der Stadt komme, wohl zwölf dafür kaufen kann." Der Vater 
schüttelte den Kopf und sagte: „Klug ist das wohl, aber kindlich 
und natürlich war es nicht!" 
„Und du, Edmund?" fragte der Vater. Unbefangen und offen 
antwortete Edmund: „Ich habe meinen Pfirsich dem Sohne unsers 
Nachbarn, dem kranken Georg, der das Fieber hat, gebracht. Er 
wollte ihn nicht nehmen. Da habe ich ihn auf das Bett gelegt und 
bin hinweggegangen." 
„Nun," sagte der Vater, „wer hat denn wohl den besten 
Gebrauch von seinem Pfirsiche gemacht?" Da riefen alle drei: „Das 
hat Bruder Edmund getan!" — Edmund aber schwieg still, und 
die Mutter umarmte ihn mit einer Träne im Auge. 
Friedrich Adolf Lrummacher. «Parabeln.) 
4. Die treuen Brüder. 
3ln' Zeit der Ernte kanien zwei rüstige Jünglinge aus dem 
Gebirge herab in das ebene Land, wo es an Arbeitern fehlte, und 
sagten zu einen: Bauern: „Wir beide wollen Euch die ganze Ernte¬ 
zeit hindurch helfen, Euer Getreide hereinzubringen, wenn Ihr uns 
die Kost und zehn Taler Lohn gebt!" 
„Zehn Taler ist zu viel," sagte der Bauer, „ich meine, zehn Gulden 
wären mehr als genug." — „Nein," sagten die Jünglinge, „es müssen 
gerade zehn Taler sein; mit weniger ist uns nicht geholfen. Wollt 
Ihr uns nicht so viel geben, so bieten wir unsre Dienste einem an¬ 
dern an." — „Wozu habt ihr denn so viel Geld notwendig?" fragte der 
Bauer. „Seht," sagten sie, „wir haben zu Hause einen jüngeren Bruder, 
der bereits vierzehn Jahre alt ist. Ein geschickter Wagner will ihn in die 
Lehre nehmen, verlangt aber durchaus zehn Taler Lehrgeld. So viel 
Geld aber weih unser alter Vater nicht aufzubringen. Da haben wir 
zwei älteren Brüder uns denn verabredet, dieses Geld zu verdienen." 
ii*
	        
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