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schlanken Pfeiler und Pfeilerbündel bis zu schwindelnder Höhe
empor. Dort oben verschlingen sich die von ihnen ausgehenden
Rippen, die das Gewölbe tragen, wie das Geäst des Waldes. Auch
hier nirgends kahles Mauerwerk; überall harmonische Belebung durch
mannigfache Verzierungen. Durch die wundervollen Glasmalereien
der Fenster dringt ein mildes Licht herein und verklärt gleichsam
das Innere. Im tiefsten Innern ergriffen, läßt der' Beschauer die
Majestät des hehren Raumes auf sich einwirken. Schon der bloße
Aufenthalt hier wirkt erhebend und erläuternd auf die Seele.
Heinrich Harras. (Vaterländische Erdkunde.)
193. Im Hamburger Hafen.
Donnernd führt der Zng durch lange Häuserreihen; der Haupt¬
bahnhof von Hanrburg ist erreicht. Wir find unterwegs mit einem
gemütlichen Seemanne, der in demselben Abteile fährt, näher bekannt
geworden. Während jeder nach seinem Gepäcke greift, fragt er uns: „Sie
wollen also auch nach Hamburg? Ta wollen Sie als Landratten wohl
auch den Hafen und einmal ein Schiff ansehen? Dann haben wir noch
ein Stückchen denselben Weg, ich fahre auf dem Schnelldanrpfer,Deutsch¬
land'." Wir folgen gern unserm Begleiter.
Schon auf den: riesigen Hauptbahnhof umbraust uns echt gro߬
städtisches Leben; aber unser Seemann marschiert gemächlich durch das
dichteste Gewühl, und wir gehen ihm nach. Bald dehnt sich vor uns das
Alsterbassin aus. „Nein, das ist nicht der Hafen," antwortet unser Führer-
lachend auf unsre Frage, „da geht es etwas lebendiger zu; die paar
Danrpferchen hier ..., na Sie werden Augen machen." Den Jungfern¬
stieg abwärts geht unser Weg, vorbei an den Fleten, die ganz Hamburg
durchziehen, der Elbe zu; wir merken bald, daß wir mitten in einer großen
Hafenstadt sind. Jetzt kommt uns ein ganzer Trupp Neger entgegen.
„Das sind ,Trimmer', die auf der Fahrt den Heizern die Kohlen herbei¬
schaffen," erklärt uns unser Führer, „die sind mit einem Woermanndampfer
aus Südwestafrika eben eingelaufen; und sehen Sie mal dort, wahrhaftig
wieder Japaner; das sind fixe Jungens und genügsam." Wir wandern
au Matrosenkneipen vorbei, aus denen uns, obgleich es kaunr 10 Uhr ist,
schon Singen und wüster Lärm entgegentönt. „Schade um das schöne
Geld, das da sinnlos vergeudet wird," meint unser Begleiter; „da vertut
mancher in wenigen Stunden die Löhnung für eine ganze Seereise.
Das hier ist der Steinhöft."
Unwillkürlich sind wir stehengeblieben; so überwältigend haben
wir uns das Bild des Hafens nicht gedacht. So weit wir sehen können,
Hirts Lesebuch. Ausg. E f. Wcstpr. II. Teil.
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