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Mit wundersamer Kühle
wird mir der Leib getränkt —
auch seh' ich eine Traube
mit einem roten Laube,
die tief herab ins Fenster hängt.
4. Es ist die Zeit, zu feiern!
Es kommt die große Ruh'!
Dort lenkt ein Zug von Reihern
dem ew'gen Lenze zu;
sie wissen Pfad' und Stege,
sie kennen ihre Wege. —
Was, meine Seele, fürchtest du?
Konrad Ferdinand Meyer.
232. Luthers Jugend.
Komm mit ins Thüringerland! Das ist ja schon ein Land, das
einem auch ohne den vr. Luther das Herz abstiehlt mit seinen Wäldern und
Wiesen, seinen Bergen und Bächen und Burgen und mit alledem, was da
drum und dran hängt von alten Sagen und Liedern. Was so ein rechtes
deutsches Herz ist, dem wird's dort wohler als selbst auf den hohen Bergen
der Schweiz oder am reißenden Meere, weil Land und Leute sich einem nah
ans Herz legen. Auf den Alpen und am Meere, da schweigt der Mund vor
der Majestät Gottes, aber hier geht er auf in dieser lieblichen Gegend von
wonnigen Liedern.
Thüringen liegt im Herzen unseres lieben Vaterlandes, und im Herzen
schlägt das Leben doch anders als im Kopf und im Fuße. Hier, recht
eigentlich in Deutschlands Mitte, war Luthers väterliche Heimat. Dort in
dem Dörfchen Möhra unweit Salzungen wohnte der Vater, Hans Luther.
Von hier zogen die Eltern nach Eisleben, wo ihnen am 10. November 1483
ein Sohn geboren wurde, der in der heiligen Taufe den Namen Martin
erhielt. Als der Knabe kaum ein halbes Jahr alt war, verließen die Eltern
Eisleben wieder und gingen nach der etwa anderthalb Meilen entfernten
Stadt Mansfeld, weil der Bergbau dort reichlicheren Verdienst verhieß.
Hier besuchte Martin, als er alt genug war, zuerst die Schule. Der Weg
aber war weit, das Büblein klein und schwach. Ta übernahm's ein älterer
Schüler, Nikolaus Omler, den kleinen Studenten auf dem Arme in die
Schule zu tragen. Das tat ihm wohl, und noch als alter Mann hat's
Luther ihm nicht vergessen, daß er in so weichem, lebendigem Kutschwagen
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