Full text: [Dritter Teil = (6. bis 8. Schuljahr)] (Dritter Teil = (6. bis 8. Schuljahr))

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Pfeife von neuem in Brand. — „Jedenfalls", sagte einer meiner Begleiter 
lächelnd, „mildert sich unser Entsetzen, da wir gewiß sind, Ihre Sinne 
schwanden nicht für immer." 
14. „Nicht für immer," erwiderte er; „aber welch ein Erwachen war 
es? Zehn Schritte vom Hanse am Rande der Warft stand, wie es Sitte 
ans den Halligen, der Heuvorrat in einem hohen Hansen fest zusammen¬ 
gepackt, und dies geschieht mit solcher Gewalt, daß nur mit Mühe und 
mit Hilfe großer eiserner Gabeln das Heu, wenn es gebraucht werden 
soll, herausgestochen werden kann. Die Mitte der Heudieme, wie sie ge¬ 
nannt wird, bildet ein starker Pfahl, der sie hält; und hier war es, wo 
ich mich wiederfand. Das Hans war zusammengestürzt, die letzte Stütze 
gebrochen; aber die Dieme stand, und die ungeheure Woge, die mich 
aufgehoben und in das wilde Meer geschlendert, hatte mich hierher ge¬ 
worfen, wo ich in krampfhafter Starrheit mich an den Pfahl klammerte. — 
In solcher Not scheint der schwache Lebensfunken sich vor seinem Er¬ 
löschen zu entsetzen und mit verzweifelnder Stärke eine letzte Anstrengung 
zu seiner Erhaltung zu machen. Ich hing auf dem abschüssigen, mit 
Schlamm und Schaum bedeckten Heu, ohne loszulassen; und doch hätte 
eine einzige Biegung meiner Finger hingereicht, mich in die Wellen 
heruntergleiten zu lassen, die mit weißen Zähnen meine Füße packten. 
Das Geflihl des Lebens kehrte zurück und mit diesem Augenblicke zugleich 
das volle Bewußtsein meiner Lage und meiner Gefahr. Der Mond war 
unter finstern Wolken verschwunden, tote Nacht ringsumher. Ich sah 
nichts voll dem Hanse; ich wußte, daß es mit allen, die mit mir darin 
gelebt und gelitten, zerschmettert und versunken lag, daß trinmphierende 
Wogen sich jetzt nur Leichen und Trümmer zuschleuderten, und ich hörte 
nichts als das wilde Brausen der Fluten, die unter mir überstürzten, 
deren bleiches Leuchten mich erkennen ließ, wo ich war. — Eine Minute 
lang faßte mich die Angst, ich könnte nicht länger mich festhalten, meine 
Fiilger köililten die Last llicht tragen; dann kam die neue Lebenshoffnung 
mit ihrer wunderbaren Kraft, uild langsam, unter ungeheurer Anstrengung, 
hob ich mich ans und schlang den Arm um den rettenden Pfahl. Es 
war mir dabei, als hinge eine schwere Last an meinem Leibe und wollte 
ihn niederziehell. Plötzlich fühlte ich einen Körper, den Arm eines Wesens, 
das mich umschlungen hielt und leblos an meiner Seite lag. Es war 
das Kind, das uns zuerst gewarnt, Elsbeth, Jensens erstgebornes Töchterchen, 
und mitten in meiner Not drang der erste Schimmer einer Freude wie¬ 
der in mein Herz, als ich noch Lebenswärme in ihm fühlte. Mühsam 
löste ich sein Händchen, zog es empor bis zur Mitte der Dieme, riß 
Schlamm und Heu fort und bettete seinen kleinen Leib, so gut ich
	        
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