Full text: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen

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Zentimeter lang, von der Wurzel an gekrümmt; die Regenbogen¬ 
haut im Auge ist goldfarbig, im hohen Alter seuerfarben. Der 
Lauf ist bis an die Zehen mit kurzen, derben, lichtbraunen 
Federn dicht besetzt; die Zehen sind hellgelb, die Ballen groß 
und derb, die schwarzen Krallen groß und sehr spitz, die hintern 
fast 8 Centimeter lang. Das Gewicht eines alten Vogels steigt 
selten über 6 Kilogramm. 
Dieser schöne, mächtige Adler ist in der Schweiz durchaus 
nur Alpentier und findet sich in allen Zügen unserer Hochgebirge 
zerstreut vor. Nur im Winter, wenn die Murmeltiere unter der 
Erde liegen, die Gemsen, Hasen, Schafe und Ziegen sich iw- die 
tieferen Wälder und ins Thal ziehen, verläßt er in den Alpen 
seinen Horst, um die Thäler und Niederungen zu durchstreifen, 
und auch dann nur ans kurze Zeit. Der Steinadler ist kühner, 
rüstiger und lebhafter als der Lämmergeier, von dem er sich 
auch durch seinen hüpfenden Gang unterscheidet. Stundenlang 
scheint er in unermeßlicher Höhe am blauen Himmel zu hangen 
und ohne Flügelschlag in weiten Kreisen dahinzuschweben. Mu¬ 
tig, kräftig, klug, scharfsichtig und von sehr feiner Witterung, ist 
er zugleich außerordentlich scheu und vorsichtig, selten einsain 
seiner Beute nachspähend, gewöhnlich mit seinem Weibchen sein 
Gebiet regelmäßig in Kreisen absuchend. Sein helles „Psülüf" 
oder „hiä—hiä" klingt weit durch die Lüfte und erfüllt das 
kleinere Geflügel mit Schrecken. Wenn er sich seiner Beute nä¬ 
hert, senkt er sich allmählich festen Blickes auf sein Opfer, stößt 
dann blitzschnell in schiefer Linie auf dasselbe und packt es mit 
der eisernen Klammer seiner tief eingeschlagenen Fänge. Kein 
kleineres Tier ist vor seiner Kralle sicher. Rchkälber, Hasen, 
wilde Gänse, Lämmer, Ziegen, die er kühn vor Ställen und 
Häusern wegholt, Füchse, Dachse, Katzen, Feld- und Waldhühner, 
Hunde, Trappen, Störche, zahmes Geflügel, selbst Ratten, 
Maulwürfe und Mäuse sind ihm angenehm, vorzüglich aber 
fasen, die er seinen Jungen stundenweit mit ungeschwächter 
rast zuträgt. Den Vierfüßer rettet der flüchtigste Lauf nicht, 
eher den kleinen Vogel der hastige Flug. Der Adler setzt seine 
Jagd mit eben so großer Beharrlichkeit wie List fort und er¬ 
müdet das flinke Rebhuhn und die rasche Waldschnepfe durch 
fortgesetzte Verfolgung. Oft jagt er dem Wanderfalken seine 
Taube, dem Habicht sein Haselhuhn ab. Wo er einmal gute 
Beute gemacht hat, dahin kehrt er gern zurück. Im Winter 
stößt er sogar oft ans Aas. In der Gefangenschaft kann er ohne 
völlige Erschöpfung vier bis fünf Wochen lang hungern. 
An den unzugänglichsten Felswänden baut er aus grobem 
Geäste, Stengeln, Heidekraut und Haaren einen roh gefügten,
	        
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