Full text: [3 = Oberstufe, [Schülerband]] (3 = Oberstufe, [Schülerband])

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Vaterland gehabt zu haben, ward nun schmerzlich an ihm offenbar. 
Aber noch schien das niemand zu fühlen. Es bedurfte noch härterer 
Schläge, und Na poleon Bonaparte ward die eherne Geilsel 
in der Hand Gottes, sie reichlich über uns zu verhängen. 
Nach Büscher und D. Müller. 
272. Ein Brief der Königin Luise. 
Memel, den 17. Juni 1807. 
Mit der innigsten Rührung und unter Thränen der dankbarsten 
Zärtlichkeit habe ich Ihren letzten Brief gelesen. Wie soll ich Ihnen 
würdig danken, bester, zärtlichster Vater, für die vielen Beweise Ihrer 
Liebe, Ihrer Huld, Ihrer unbeschreiblichen Vatergüte! Welcher Trost ist 
dies für mich und welche Stärküng!l Wenn man so geliebt wird, kann 
man nicht ganz unglücklich sein. Es ist aufs neue ein ungeheures Un— 
gemach über uns gekommen, und wir stehen auf dem Punkte, das König— 
reich zu verlassen. Bedenken Sie, wie mir dabei ist; doch bitte ich Sie, 
verkennen Sie Ihre Tochter nicht. Glauben Sie ja nicht, daß Zweifel 
und Kleinmut mein Haupt beugen. Zwei Hauptgründe habe ich, die 
mich über alles erheben. Der erste ist der Gedanke: wir sind kein Spiel 
des blinden Zufalls, sondern wir stehen in Gottes Hand, und die Vor— 
sehung leitet uns, wenngleich durch Finsternis, doch am Ende zum Lichte, 
denn sein ganzes Wesen ist Licht; der zweite: wir gehen mit Ehren unter. 
Der König hat bewiesen, der Welt hat er es bewiesen, daß er nicht 
Schande will, sondern Ehre, und er ist besser als sein Schicksal. Preußen 
will nicht freiwillig Sklavenketten tragen. Auch nicht einen 
Schritt hat der König anders handeln können, als er gehandelt hat. Er, 
der die Wahrheit und Treue selbst ist, konnte seinem Charakler nicht 
ungetreu und an seinem Volke nicht zum Verräter werden. Wie dieses 
mitten im Unglücke stärkt und hebt, kann nur der fühlen, den wahres 
Ehrgefühl durchdringt. Doch zuͤr Sache! 
Durch die unglückliche Schlacht bei Friedland kam Königsberg in 
französische Hände. Wir sind vom Feinde gedrängt, und wenn die Gefahr 
nur etwas näher rückt, so bin ich in die Notwendigkeit versetzt, mit meinen 
Kindern Memel zu verlassen. Der König wird sich wieder mit dem Kaiser 
vereinigen. Ich gehe, sobald dringende Gefahr eintritt, nach Riga; Gott wird 
mir helfen, den Augenblick zu bestehen, wo ich über die Grenze des Reiches 
muß. Da wird es Kraft erfordern; aber ich richte meinen Blick gen Himmel, 
von wo alles Gute und alles Böse kommt, und mein fester Glaube ist, Gott 
schickt nicht mehr und legt nicht mehr auf, als wir tragen können. 
Noch einmal, bester Vater, wir gehen unter mit Ehren, geachtet von 
Nationen, und werden ewig Freunde haben, weil wir sie verdienen. Wie 
beruhigend dieser Gedanke ist, läßt sich nicht sagen. Ich ertrage alles 
mit einer solchen Ruhe und Gelassenheit, die nur der innere Friede des 
Gewissens und reine Zuversicht geben kann. Deswegen seien Sie überzeugt, 
bester Vater, daß wir nie ganz unglücklich sein können, und daß mancher, 
mit einer glänzenden Krone geschmückt und vom Glücke umgeben, nicht 
so froh ist, wie wir, mein Mann, unsere gesunden Kinder und ich es sind. 
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