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Schreitet man durch einen der auffallend flachgewölbten Bogen
unter dem Schlosse, so wird man staunend zu dem neuen Bilde auf⸗
blicken, welches sich an der Westseite des Schlosses bietet. Wunderbar
schön sind Natur und Kunst hier in den Parkanlagen vereinigt. Eine
weite Rasenbahn nimmt die Mitte ein. Sie zieht sich auch den Berg
hinan. Gefällige Baumformen und Strauchgruppen umschließen die
Rasenflächen. Rechts und links setzt sich daran der Wald. Aus ihm
ragen im Südwesten die Türme und Zinnen der Löwenburg heraus.
Über der weiten Rasenbahn aber erhebt sich oben auf dem Karlsberge
das Riesenschloß mit dem ehernen Standbilde des Herkules.
Die herrlichsten Beete und Gartenanlagen sind in der Nähe des
Schlosses und vor dem großen Gewächshause mit seinen Palmen und
Kamelien. Manche Beete sind Teppiche aus lebenden Pflanzen. Ein
großer Teich liegt hinter dem ersten Rasenplane vor dem steiler
berdenden Berghange mit dem weißen Freundschaftstempel. Der
größte und schönste Springbrunnen (die „Große Fontäne“) läßt
aus mächtigem Rohre zwischen Felsen hervor einen ungeheuern
Wasserstrahl b6 m hoch emporschnellen. Die zu Staub zerpeitschten
Wassermassen bilden über dem Teiche ein eigenartiges Schauspiel.
Doch können wegen der großen Wassermenge, welche erforderlich ist,
die berühmten Wasserkünste der Wilhelmshöhe nur Sonntags und
Mittwochs nachmittag auf kurze Zeit spielen. Südlich vom Schloß—
berge senkt sich zwischen diesem und dem ehemaligen chinesischen
Dörfchen Mulang ein schönes Waldtal herab. Da ragen unter
dem Schlosse die Felsblöcke des Weißensteins auf, die einst dem
Schlosse den Namen gaben. Eine herrliche Parkanlage mit Wasser—
fällen, Teichen und Inseln füllt das Tal.
In dem weiten Waldpark aber bergen sich die großartigen
Anlagen der Wasserkünste und viele wundersame Bauwerke, welche an
die Geschichte der Griechen und Römer erinnern. Vom Aquädukt,
der Nachahmung einer verfallenen römischen Wasserleitung, stürzt eine
gewaltige Wassermenge 35 m in die Tiefe. Dort zur Rechten liegt im
Walde der prächtige Neue Wasserfall mit vielen kleineren Fällen.
Weiter oben stürzt in enger Felsschlucht unter der Teufelsbrücke
ein mächtiger Wasserschwall in das blaugrüne Wasser eines Teiches,
und im Buchenhochwalde rauscht über moosbewachsene Felsblöcke
zwischen den hohen Bäumen der weiße Schaum des breiten
Steinhöferschen Wasserfalls nieder. Auf steilem Bergvorsprunge
liegt die große, verfallene Ritterfeste, die Löwenburg. Kurfürst
Wilhelm J. erbaute sie; in der Burgkapelle ruht seine sterbliche Hülle.
Unsere Kaiserin besucht während ihres Sommeraufenthaltes zu