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senkrecht ab, und schwindelnd sah der unglückliche Jäger in der
Tiefe die niederen Hügel und das grüne Tal liegen, durch
welches sich der Inn wie ein silberner Faden dahinzog. Ver¬
gebens griff Maximilian zu seinem Hifthorn und blies zwei-,
dreimal mit aller Macht hinein: der Schall drang nicht bis in
die Tiefe hinab. Stunde um Stunde verging, ohne daß Hülfe
kam. Von Verzweiflung ergriffen sank Maximilian auf die
Kniee und betete inbrünstig zu Gott. Am nächsten Morgen
bemerkten Leute im Tale die kleine Gestalt des verstiegenen
Jägers hoch oben an der schauerlichen Felswand; aber erst am
dritten Tage gelang es einem kühnen Bergknappen, mit unend¬
licher Mühe einen Pfad bis zu Maximilians Standort zu bahnen
und beit Ermatteten über Fels tmb Kluft wohlbehalten ins Tal
hinab zu geleiten.
Max war auch ein trefflicher Soldat. Keiner konnte den
Bogen geschwinder spannen, das Ziel sicherer treffen, im Harnisch
hurtiger laufen, leichter in den Sattel springen, ein Roß ritter¬
licher tummeln und die Lanze zierlicher führen als er. In den
Schlachten richtete er selbst die Geschütze und nahm es mit vier
bis fünf Gegnern zugleich auf. Er bildete zuerst ein tüchtiges
Fußvolk aus kernfesten schwäbischen Bauern, die er mit fünf
Meter langen Piken bewaffnete; das waren die später so be¬
rühmten Landsknechte. Er selber erfand Geschütze jeglicher Art:
Mörser, ans denen man glühende Kugeln warf, lange Rohre,
um in die Ferne zn schießen, Kartaunen und Mauerbrecher.
Mit diesem Kriegsgerät zog er gegen die Raubritter, welche den
Landfrieden gebrochen hatten, und zertrümmerte ihre Burgen.
Gegen friedliche Bürger war er überaus leutselig, scherzte gern
mit ihnen und nahm an ihren Festen, an Tanz und Scheiben¬
schießen teil. Als er sein Ende herannahen fühlte und seine
Diener weinen sah, gab er ihnen allen die Hand und sagte:
„Was weinet ihr, daß ihr einen sterblichen Menschen sterben
seht?" Der Tod ereilte ihn 1519 in seinem sechzigsten Lebens¬
jahre.