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denn zu Segest und freite um die Hand der Jungfrau, und als sie
ihm verweigert ward, achtete er in seiner großen Liebe weder der alten
Sitte, noch der Gefahr für seine Freiheit, wenn der Vater ihn ereilte.
Er entführte Thusnelda und brachte sie heim als sein eheliches Weib.
Dafür schwur ihm Segest ewige Rache, uͤnd er begann dieselbe damit,
daß er den Vaͤrus vor Armin als einem Verräter warnte. Doch
Segest predigte tauben Ohren; der römische Feldherr meinte, an allen
den Verleumdungen sei bloß die Entführung der Thusnelda schuld,
und überdies deuchte er sich klüger und verachtete den Rat eines
„plumpen Deutschen.“ So schlug ihn Gott mit Blindheit.
In seinem Sommerlager an der Weser saß Varus, als er die
Kunde erhielt, ein deutscher Stamm an der Ems habe sich erhoben
und alle Römer, die in seinen Marken wohnten, erschlagen. Also war
es verabredet worden unter den Eidgenossen. Denn Armin, die Seele
des Bundes, hatte zuvor bedacht, daß Varus in solchem Falle nicht
säumen würde, mit aller Macht ins Feld zu ziehen. Und so kam's
auch. Der Römer beschloß, ohne Verzug aufzubrechen und Rache zu
nehmen. Beim Abschiedsmahl im Lager waren Armin und Segest zu
Gaͤst, und Segest warnte noch einmal. Doch Varus glaubte ihm aber—
mals nicht und gebot vielmehr dem Armin, daß dieser den Heerbann
der Deutschen aufbiete und sie als Bundesgenossen den Römern zuführe.
Dann brach er stolzen Mutes mit drei erprobten Legionen)) auf und
zog in die Berge an der Weser, in die Gegend, wo jetzt Herford und
Salzufeln liegen. Rasch bot Armin den Heerbann auf, und freudig
nahmen die Eidgenossen ihre Schwerter, um für die Freiheit zu kämpfen.
Auf wohlbekannten kürzeren Wegen führte Armin sie hinter den Römern
her und fiel plötzlich deren Nachhut an. Noch ahnte Varus nicht den
ganzen Umfang der Gefahr und hielt für Übermut einzelner, was Plan
und kluge Berechnung war. Denn zuerst wollte Armin die römische
Kriegsmacht schwächen und zerbröckeln, um dann die Trümmer desto
sicherer zermalmen zu können.
Es kamen und schwanden die Rächer wie Schatten der Nacht.
Bald hier, bald dort fiel ein Römer im Engpaß. In dem Gedränge
konnte Varus die Gefahr nicht überschauen; er befahl, geschlossenen
Marsch zu halten, aber in der Wildnis war dies unmöglich. Endlich
neigte sich der Tag, und Varus gebot dem Heere, halt zu machen, sich
zu verschanzen, so gut es ginge, und zu verbrennen, was vom Gepädk
überflüssig sei und im Zuge nur hindern könne. Am andern Tage
rückte das Herr, immer von den Deutschen umschwärmt, doch in bester
Ordnung in der Ebene weiter, die sich an der Werra ausdehnt, und
gelangte in die Gegend von Detmold, wo die hohe Teutoburg ragte.
Da ward auf einmal jeder Busch lebendig, aus jeder Bergschluͤcht
raschelte es, wie viel hundert Schlangen, empor, und die uralten Bäume
schüttelten, wie sonst nach dem Wetter Regentropfen, jetzt Pfeile ohne
Zahl auf die erschrockenen Römer herab. Der Himmel wollte auch
nicht feiern und half den Deutschen mit Sturm und Regen. Von den
VNEine Legion, eine Schar römischer Soldaten von vier⸗ bis sechstausend Mann.