Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

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— die Schäferhütten waren damals noch nicht so gut verwahrt wie 
jetzt, sondern an den Seiten offen — da schlich der Bauer herzu und 
hatte seine Zeit so wohl wahrgenommen, daß er zugleich mit dem ersten 
Anschlagen des Schäferhundes den Schäfer durch und durch stach. 
Das dermann nur den Bauer im Verdacht dieser heimtückischen Mord— 
thas haben werde, dachte sich dieser leicht selbst, aber er dachte auch: 
„J. dollt mich wohl nicht fangen,“ und so ging er herüber in das 
Heh wohrmn er nur ein paar Schritte hatte. Acht Tage lang hielt 
n eemem Drfchen des Süllingswaldes verborgen, aber die 
Kattunrn! leß ihn nicht länger rasten. Er mußte hinaus, obwohl er 
niß vweotte, warum und wohin. Also wandelte der Mörder einsam 
dahin einsamen Waldpfaden des Süllingswaldes und erschrak. 
wenn itter rauschten und der Wind die Wipfel der Bäume 
schüt⸗ Hwenn ein Rabe schrie, so dünkte ihn, er höre die Toten— 
bi eeg ueichte krächzen und ihm zurufen: „Aufs Rad! aufs 
Rade ad dach war er der menschlichen Gerechtigkeit entgangen; denn 
wer »* uin Hessen und zumal hier im tiefen Walde suchen? 
Wovor fürchtete er sich denn? — Da tönt der Schall eines Jägerhorns 
slaut und gellend ihm ins Ohr, und noch ein Horn wird laut, und 
not eine und ein viertes und ein fünftes, und um ihn herum erhebt 
sich e schallendes Rufen und Hetzen und Bellen der Hunde; und es 
dünt? Wörder, es wären die Posaunen und das Rufen des jüngsten 
Gerich?es. Dich wollen sie fangen, denkt er, und rennt wie verzweifelt 
und bon Sinnen in den Wald hinein, dem Gerichte entgegen, dem er 
entlausn will. Denn es bricht aus dem Dickicht, von den Hunden ver— 
sols“ ein mächtiges, hauendes Wildschwein und rennt gerade auf den 
Mörbe los. Er will ausweichen, aber er kann nicht; die Füße sind 
ihm »e in den LVoden gewachsen, gleich den Wurzeln der Buchbäume 
umhe Das Schwein stürzt sich auf ihn und zerfleischt ihn 
gräßli. So findet ihn der Landgraf Philipp, welcher eben hier eine 
Jagd hielt und dicht hinter der Sau her war, schon dem Tode nahe am 
Boden liegen, läßt ihn aufheben, verbinden und nach Hersfeld bringen. 
Dort gestand er. was er gethan, und bekannte, daß Gott der Herr 
selbst, nachdem er den Menschen entflohen, über ihn ein schreckliches, 
aber gerechtes Gericht gehalten habe; als das Schwein auf ihn los— 
geranut sei, habe er den ermordeten Schäfer leibhaftig mit zornigem 
Gesicht und bewehrt und gewappnet wie einen reisigen Mann auf sich 
losstürzen sehen. Des andern Tages starb er. „Unseres Herrgotts 
Hand ist gar lang“ — das waren seine letzten Worte.
	        
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