Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

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still ringsumher in der Natur, wenn der Ackermann sein Tagewerk 
beginnt. Nur vom Dorfe her tönt das Krähen der Hähne, die den 
Anbruch des Tages verkünden, und einzelne Lerchen tragen ihr Jubellied 
empor zu den Wolken, der steigenden Sonne entgegen. Dort über dem 
Walde steigt sie jetzt empor, die Königin des Tages, in heiterer Pracht, 
und vor ihren Strahlen zerreißt der weißgraue Nebelschleier, der über 
Fluren und Wiesen liegt. Die Umrisse der Landschaft, die Hütten des 
Dorfe? e Gärten und Hecken, die Weiden und Erlen am Bache treten 
deutl dervor. Frisches Leben regt sich allenthalben in der Natur, die 
Stimmen des Tages werden laut. Der Ackermann hält mit rüstiger 
Hand flug, jene kostbare Waffe des Friedens, welche tiefe Furchen 
in den wvoden reißt. Bald spornt er seine Arbeitsgenossen mit lautem, 
freund! m Zuruf zur Eile an, die ihm mit lebensfrohem Wiehern und 
Schnauben antworten; bald ahmt er der Lerche nach und feiert in 
jubelndem Gesange den Morgen. Auch dort auf den Erlen und Rüstern 
an dem murmelnden Bache, der zögernden Laufes in vielfachen 
Windungen an dem Dorfe vorüberfließt, wird es jetzt laut. Wer sind 
die vielen schwarzen Gesellen, die sich dort schlaftrunken aus ihren hohen 
Nestern erheben und unaufhörlich ihre heiseren Töne erschallen lassen? 
Es sind die Saatkrähen, die, vor kurzem aus dem Süden Deutschlands 
zurück» hrt — denn höchstens so weit ging ihre winterliche Reise — 
ihre alten Brutvlätze wieder aufgesucht haben. Wir erkennen sie an 
ihrer schlanken Gestalt, an ihrem abgerundeten Schwanze und an dem 
glänzend schwarzen, ins Bläuliche schimmernden Federkleide. Wohl 
zwan; z und mehr Nester befinden sich auf einem Baume. Diese haben 
eine 2meir aftliche Unterlage von Dornen und Reisern, und darauf 
baut sich jʒ e Krähe ihr eigenes, weiches Plätzchen von Moos, Wolle 
und Zaaren. Fie wissen, daß dort hinter dem Pfluge der Tisch für sie 
gedect und reichliches Frühstück bereit ist. Dreist folgen sie in der 
Furce dom Landmanne auf den Fersen nach und verzehren mit Behagen 
die Funacrlin;», Regenwürmer, Schnecken und andere Bewohner der Erd— 
scholle, die der Pflug ihrem spähenden Auge aufgedeckt. Vom Dorfe 
her kommen jetzt noch andere schwarze Gäste, die Nebelkrähen und 
Dohlen, die auf dem Kirchturme ihre Wohnung haben und den ganzen 
Winter hindurch selbst auf die Gefahr hin, zuweilen ein wenig zu 
hungern, ihr heimatliches Dorf nicht verlassen. Wir sahen sie oft in 
den Tagen des Winters, wo tiefer Schnee die Felder bedeckte und 
strenger Frost den Schoß der Erde und der Gewässer verschloß, in 
traulicher Gesellschaft mit Tauben, Sperlingen, Haubenlerchen und Gold— 
ammern auf den Straßen und den Höfen ihr spärliches Futter suchen. 
Darum bringen sie auch starken Appetit zum Frühstück mit und
	        
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