Full text: [Theil 2, [Schülerband]] (Theil 2, [Schülerband])

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wenig Milch dazu hätten. Und als der Tisch gedeckt war, setzte 
sich der liebe Gott nieder und aß mit ihnen, und es schmeckle ihm 
die schlechte Kost gut, denn es waren vergnügte Gesichter dabei. 
Nachdem sie gegessen hatten, und Schlafenszeit war, rief die Frau 
heimlich ihren Mann und sprach: „Höre, lieber Mann, wir wollen uns 
heute Nacht eine Streu machen, damit der arme Wanderer sich in unser 
Bett legen und ausruhen kann; er ist den ganzen Tag über gegangen, 
da wird einer müde.“ „Von Herzen gern,“ antwortete er, „ich will's 
ihm anbieten,“ ging zu dem lieben Gott und bat ihn, wenn's ihm recht 
wäre, möchte er sich in ihr Bett legen und seine Glieder ordentlich aus— 
ruhen. Der liebe Gott wollte den beiden Alten ihr Lager nicht nehmen, 
aber sie ließen nicht ab, bis er es endlich that und sich in ihr Beti 
legte, sich selbst aber machten sie eine Streu auf die Erde. Am andern 
Morgen standen sie vor Tag schon auf und kochten dem Gast ein Früh— 
stück, so gut sie es hatten. Als nun die Sonne durchs Fensterlein 
schien, und der liebe Gott aufgestanden war, aß er wieder mit ihnen 
und wollte dann seines Weges ziehen. Als er in der Thür stand, 
kehrte er sich um und sprach: „Weil ihr so mitleidig und fromm seid, 
so wünscht euch dreierlei, das will ich euch erfüllen.“ Da sagte der 
Arme: „Was soll ich mir sonst wünschen als die ewige Seligkeit, und 
daß wir zwei, so lange wir leben, gesund dabei bleiben und unser noth⸗ 
dürftiges tägliches Brot haben; fürs dritte weiß ich mir nichts zu 
wünschen.“ Der liebe Gott sprach: „Willst du dir nicht ein neues 
Haus für das alte wünschen?“ „O ja,“ sagte der Mann, „wenn ich 
das noch erhalten kann, so wär' mir's wol lieb.“ Da cerfüllte der 
Herr ihre Wünsche, verwandelte ihr altes Haus in ein neues, gab ihnen 
nochmals seinen Segen und zog weiter. 
Es war schon voller Tag, als der Reiche aufstand. Er legte sich 
ins Fenster und sah gegenüber ein neues reinliches Haus mit rothen 
Ziegeln, wo sonst eine alte Hütte gestanden hatte. Da machte er größe 
Augen, rief seine Frau herbei und sprach: „Sag' mir, was ist geschehen? 
Gestern Abend stand noch die alte elende Hütte, und heute steht da ein 
schönes neues Haus. Lauf hinüber, und höre, wie das gekomien ist!“ 
Die Frau ging und fragte den Armen aus; er erzählte ihr: „Gestern 
Abend kam ein Wanderer, der suchte Nachtherberge, und heute Morgen 
beim Abschied hat er uns drei Wünsche gewährt, die ewige Seligkeit, 
Gesundheit in diesem Leben und das nothdürftige tägliche Brot dazu 
— und zuletzt noch statt unserer alten Hütte ein schönes neues Haus.“ 
Die Frau des Reichen lief eilig zurück und erzählte ihrem Manne, wie 
— DD 
zerschlagen, hätte ich das nur gewußt! Der Fremde ist zuvor hier ge— 
wesen und hat bei uns übernachten wollen, ich habe ihn aber abge— 
wiesen.“ „Eil' dich,“ sprach die Frau, „und setze dich auf dein Pferd, 
so kannst du den Mann noch einholen, und dann mußt du dir auch 
drei Wünsche gewähren lassen.“ 
Der Reiche befolgte den guten Rath, jagte mit seinem Pferde 
davon und holte den lieben Gott noch ein. Etr redete fein und lieblich 
und bat, er möcht's nicht übel nehmen, daß er nicht gleich wäre ein— 
gelassen worden, er hätte den Schlüssel zur Hausthür gesucht, derweil
	        
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